Ciao Papa
Mein Neffe Salvador sang mit seiner Fistelstimme »Torna a Sorrento«. Die Tante wischte sich mit der Serviettenspitze eine flüchtige Träne aus dem Gesicht.
Dann brachten die drei Frauen eine riesige Torte mit dreißig Kerzen. Alle sangen, klatschten und drängten mich, ein Riesenstück dieser Masse zu verdrücken, die mit einer süßen Schicht bedeckt und einer widerlichen Füllung gestopft war. Es wurde bereits Whisky und Cognac getrunken.
»Ich wette, du weißt nicht, wer die Torte gemacht hat«, sagte die Tante.
»Sag nicht, es war meine Cousine Lilia.«
Gelächter. Und mit leiser Stimme sagte sie zu mir:
»Seit du hier bist, lässt sie dich nicht mehr aus den Augen.«
»Und du auch nicht. Seit ich aus diesem schmutzigen Loch heraus bin, starren mich alle an. Vorher war ich frei wie der Wind.«
»Carlitos, mein Gott, sei doch für einmal vernünftig!«, gab die Tante verärgert zurück.
»Du wirst schon sehen, dass er vernünftig ist«, sagte der Onkel. »Du wirst schon sehen.«
Er stand auf, hob sein Whiskyglas und schrie:
»Ihr werdet schon sehen, dass er vernünftig ist. Auf ihn kann man zählen.«
Die Gäste feierten seine Worte. Der Onkel zerbrach das Glas auf dem Tisch, zückte sein Gauchomesser mit Silbergriff und legte die Klinge auf das rechte Handgelenk, denn er war Linkshänder.
»Wenn nur einer daran zweifelt, öffne ich mir die Pulsader und schneide mir die Eier ab!«, schrie er noch lauter.
Die Gäste erhoben sich und feierten ihn mit stürmischem Applaus. Der Kleine Maidana tauchte mit einer Gitarre auf und begleitete den Onkel zu der Milonga »Nimm meinen Kleinen« {3} und Abracadabra zum Tango »Beichte«. Da platzte der Kleine Italo in die Feier, ging schnurstracks auf den Kleinen zu und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Der Onkel presste die Kiefer zusammen und schaute zum Horizont. Er schickte den Kleinen Italo weg, blickte zu mir, gab mir ein Zeichen und erhob sich, um durch den Garten zu schlendern. Als Maidana das Gesicht des Kleinen sah, als er sich vom Tisch erhob, nahm er schnellstens die nächste Milonga in Angriff. Beinahe niemand hatte bemerkt, dass ich mich ebenfalls vom Tisch erhob und ihm folgte.
Der Kleine erwartete mich unter Maidanas Zitronenbaum.
»Was ist los, Kleiner?«
»Sie haben den Franzosen rausgelassen, das ist los«, antwortete er, ohne mich anzusehen.
»Und, wo liegt das Problem?«
»Spiel hier nicht den Dummen, Carlitos, bitte.«
»Aber es gibt nichts zu befürchten, Kleiner. Es ist mindestens sechs Monate her, dass ich Roxana nicht mehr gesehen habe. Es ist nichts zu befürchten. Was soll schon passieren?«
»Spiel hier nicht den Dummen, Carlitos, bitte!«, sagte er lauter.
»Ich spiele nicht den Dummen, Kleiner, beruhige dich. Es wird nichts geschehen. Was könnte schon geschehen?«
»Scheiße, verdammte! Es lief alles bestens! Verdammte Drecksäcke! Scheiße, verdammte!«
»Aber beruhige dich, Kleiner, es wird schon nichts schiefgehen. Was soll schon passieren?«
»Was soll schon passieren, was soll schon passieren! Dieser Saukerl ist völlig durchgedreht. Wie kommt es, dass er frei ist? Wer hat ihn laufen lassen, verdammt noch mal? Jetzt ist es aus mit Spazierengehen. Verdammte Scheiße, ich hab die Schnauze voll von diesem Scheißdreck!«
»Hat sich wohl einen Straferlass ergattert, der ihn seine ganze Kohle gekostet hat. Er wird sich ruhig verhalten. Er hat fünf Lenze im Dunkeln zugebracht, Kleiner.«
»Und wer, verdammt noch mal, hat dir gesagt, dass du seine Frau vögeln sollst? Wer, verdammte Scheiße! Glaubst du etwa, der Typ weiß nichts davon? Und obendrein hast du ihm auch noch seine Fresse demoliert, als du mit ihm im Knast warst!«
»So war es nicht, Kleiner. Wir hatten eine etwas harte Diskussion, aber sonst war da nichts. Ich habe ihn nicht verletzt, und wir waren alleine im Scheißhaus. Es ist nichts passiert, Kleiner. Ich hatte es gut mit Roxana und auch mit ihm. Wir haben ein Jahr zusammengelebt, dann hat sie mich verlassen. Das ist alles, was geschehen ist, Kleiner. Mehr war da nicht, Kleiner. Und außerdem, ich habe sie nicht gevögelt, als sie seine Frau war. Ich habe sie erst gevögelt, und wie, als sie meine Frau war.«
»Ach, was bist du für ein Idiot, Carlitos!« Er nahm die Brille ab, deckte sich mit der anderen Hand die Augen zu und sagte mit sanfter Stimme: »Ich schwöre dir, ich habe große Lust, dir in die Eier zu treten.«
»Kleiner, tret mir nicht auf den Schwanz. Ich nehme die Sache in die Hand, sorge
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