Ciara
ist auf der Intensivstation.«
Mike versuchte seine beginnende Unruhe zu bremsen. »Was ist mit ihm?«
»Bei ihm wurde eine unbekannte Form von XP diagnostiziert sowie eine eigentlich kaum mögliche Art der Anämie. Seine Chromosomen weichen von jeder bekannten Norm ab. So was hast du noch nie gesehen.«
»Wie ist sein Zustand?«
»Kritisch! Sie finden keine Heilungsmethode und keine Ursache für sein hohes Fieber. Ich befürchte, er wird die Nacht nicht überstehen.«
Mike biss sich auf die Innenseite der Wangen.
»Er phantasiert, redet im Wahn. Es ist grauenvoll.«
»Sind Sie bald fertig?« Mike trieb die Schwester zur Eile an, indem er selbst an dem Gips herumwischte.
»Der Gips muss noch trocknen.«
»Das kann er auf dem Weg nach oben. – Komm!« Mike stürmte an Stephan vorbei.
Pauls Verfassung ähnelte der Ciaras, bevor sie Mikes Blut erhalten hatte, doch er war nach wie vor wach und schaute Mike mit glasigen Augen an; er murmelte seinen Namen und lächelte sogar andeutungsweise. Mike hielt sein Ohr dicht an Pauls Mund, um die gewisperten Worte verstehen zu können.
»Ich versuche es«, antwortete er. »Ich verspreche es.«
Mike drehte sich rasch zu Stephan und wies ihn an: »Du musst ihm Blut besorgen.«
»Jetzt fängst du auch damit an.«
»Ich kenne diese Form.«
»Was soll das heißen? Diese Form gibt es offiziell gar nicht.«
»Irgendwo in den USA gibt es ein Institut, das ähnliche Fälle behandelt. Das habe ich mal im Internet gelesen. Ich weiß, dass diese Kreuzform der Anämie und des XP selten vorkommt und ein Ausbruch der Krankheit, so wie Paul ihn durchlebt, nur mit einer Bluttransfusion gelindert werden kann.« Mike log, doch außer Paul und ihm wusste das niemand.
»Aber das ist unmöglich!« Stephan rieb sich über sein zuckendes Augenlid.
»Willst du, dass er stirbt?«
»Nein, natürlich nicht!«
Mike starrte in die Augen des Oberarztes und hätte ihn am liebsten hypnotisiert. Aber diese Fähigkeiten besaß
er
leider nicht.
»Du bietest uns immer deine Hilfe an, jetzt braucht Paul sie. Also bitte, vertrau mir!«
Stephen schien mit einer Entscheidung zu ringen.
»Hol Blut!«
Für ein paar Sekunden starrte Stephan hilflos von Paul zu Mike und zurück, dann verließ er den Raum.
»Ciara geht es gut. Mach dir keine Sorgen«, flüsterte Mike.
Als Antwort blinzelte Paul mit den Augen und rang sich einige leise Worte ab: »… Autoschlüssel in meiner Jacke. Nimm meinen Wagen und bleib bei ihr.« Nach einer längeren Pause fügte er hinzu: »Bitte.«
Bevor Mike antworten konnte, kehrte Stephan mit fünf Blutkonserven zurück, die er aus dem Reservevorrat der Intensivstation genommen hatte. »Falls Hendrik das mitbekommt, gibt es ein Verfahren.«
»Ist mir egal«, entgegnete Mike. »Dadurch wird es Paul besser gehen, und dann wird er einsehen, dass es die einzige Lösung war.«
»Vielleicht hast du recht«, stimmte Stephan zu und begann, Paul das Blut durch den Katheter in seiner Handvene intravenös zuzuführen. »Wenn ich nicht die Hoffnung hätte, dass es funktioniert, würde ich hier auch nicht stehen und ihm helfen.«
»Ich leg die übrigen Beutel in den Kühlschrank«, sagte Mike.
Stephan nickte und betrachtete seinen fähigsten Arzt. Zwei parallel zueinander laufende, steile Falten gruben sich zwischen seine Augenbrauen ein. Das linke Auge zuckte permanent. Mike riss ihn aus seiner Betrachtung. »Ich hab einen Anruf bekommen. Meiner Mutter geht es schlecht. Hältst du mich auf dem Laufenden?«
»Natürlich.« Stephan drehte sich zu Mike um und erhaschte soeben noch einen letzten Blick auf dessen Rücken. »Und ich steh auch dafür ein.«
Er zuckte zusammen, als er eine heiße, verschwitzte Hand auf seiner spürte, die auf der Bettkante ruhte. Bestürzt schaute er zu Paul, der ihm ein »Danke« zuraunte und ermattet die Augen schloss.
Mike betätigte die Klingel und wartete darauf, dass Ciara ihm öffnete. Die Kälte kroch ihm durch die Kleider und umschloss seine Glieder. Er zitterte und zog die Nase hoch.
Als Ciara nach fünf Minuten noch immer nicht geöffnet hatte, begann er sich Sorgen zu machen und überlegte, wie er sich Einlass verschaffen könnte. Dann hörte er es auf der anderen Seite der Tür klicken und sie schwang auf. Ciara sah erschöpft aus, aber sie musste geduscht haben. Ihr Haar glänzte noch feucht und sie verströmte einen angenehmen Duft, der ihm die Sinne zu umnebeln drohte. Er lächelte sie zur Begrüßung an und wollte
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