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Ciara

Ciara

Titel: Ciara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Rensmann
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der Drang, es ihm aus dem Gesicht zu prügeln.
    »Wir erhoffen uns, mehr über die Eigenarten Ihrer DNS und Ihrer Fähigkeiten herauszufiltern. Morgen schon werden wir Ihnen eine Rückenmarksprobe entnehmen müssen.«
    »Ich bin keine Laborratte.« Er ahnte, dass Smith da anderer Ansicht war und die bisherigen Tests längst nicht alles sein sollten.
    »Ihre Werte sinken, wie ich sehe. Ich lasse Ihnen gleich Ihr Frühstück aufs Zimmer bringen – und Blut, dann sind Sie auch nicht mehr so aggressiv.«
    »Glauben Sie mir, Mr. Smith: Sobald ich Sie sehe, werde ich stets aggressiv werden.«
    »Doktor bitte, so viel Zeit muss sein.«
    »Dito.«
    »Lieber Mr. Philis …«
    »Smith, ich bin genauso Doktor wie Sie, wenn Sie also auf Ihren Titel bestehen, dann werde ich das auch.«
    Für einen Wimpernschlag entgleiste Smith sein Dauerlächeln, dann zwinkerte er Paul zu wie ein netter Onkel, der eine wunderschöne Überraschung für ihn versteckte. Ohne weiter auf Paul einzugehen, verließ er mit den aktuellen Proben das Zimmer.
    Paul mochte nicht aufstehen, doch der Druck auf seine Blase zwang ihn dazu. Auf dem Weg nahm er frische Kleidung aus dem Schrank, anschließend duschte er und zog sich an. Bisher hatte er im Bad noch keine Kameras gefunden, obwohl er wenig Hoffnung hatte, hier tatsächlich unbeobachtet zu bleiben.
    Als er in sein Zimmer zurückkehrte, fand er ein neues Tablett auf dem kleinen Tisch vor. Darauf teilten sich eine Kanne Kaffee, Geschirr mit rosa und blauem Blumenmuster, Besteck, drei Brötchen und unterschiedliche Sorten Aufschnitt den Platz. Neben dem Bett stand ein Gestell, an dem eine mit Schlauch und Kanüle versehene Blutkonserve hing. Paul seufzte, setzte sich die Kanüle und begann zu frühstücken. Nachdem er zu Ende gegessen hatte und der Beutel leer gelaufen war, starrte er an die Decke in die Kamera und schnitt ein paar lächerliche Grimassen. Da er aber keine Resonanz darauf erhielt, erhob er sich, steuerte auf das Fenster zu und versuchte die Aussicht zu genießen, was ihm in Anbetracht seiner prekären Lage nicht wirklich gelang. Er beobachtete einen Adler, der über das flache Gras hüpfte, weiter und weiter, bis er durch das Tor vom Grundstück verschwand.
    Kurzerhand drehte Paul sich zum Schrank um, suchte nach Schuhen, fand sie in der untersten Schublade, zog sie an und wunderte sich nicht darüber, dass sie bequem waren und seinem Stil entsprachen. Er trat aus dem Zimmer hinaus. Unentschlossen lehnte er mit dem Rücken an seiner Tür, schaute nach links den Flur entlang, anschließend nach rechts, trat einen Meter nach vorne und beugte sich kurz über ein graues schmiedeeisernes Geländer. Zahlreiche Türen deuteten auf weitere Gäste hin. Paul interessierte sich nicht dafür, wer oder was sich dahinter verbarg. Er wählte den rechten Gang und schlich an weiteren geschlossenen Zimmertüren vorbei, bis er das Ende des Flures erreichte. Von dort aus führte eine steile, breite Treppe in die Vorhalle hinunter und eine weitere zum zweiten Stock empor. Er entschied sich für den Weg nach unten. Niemand hielt ihn auf. Das Foyer verlief in Herzform, eingerahmt von zwei Treppen, der einen, die Paul hinuntergekommen war, und einer zweiten auf der anderen Seite. Die Spitze des Foyer-Herzens wies zur Haustür. Von den beiden angedeuteten Rundungen, dem Ausgang gegenüber, zweigte jeweils eine Tür ab.
    Paul dachte an den Adler.
    Geräuschlos bewegte er sich auf die Ausgangstür zu und legte seine Hand auf die Klinke. Bevor er diese hinunterdrückte, schaute er sich mit hochgezogenen Schultern um. Niemand folgte ihm. Leise öffnete er die Tür und trat über die Schwelle. Ein milder Luftzug streichelte ihm übers Gesicht und brachte ihn zum Lächeln. Paul sprang die wenigen Steinstufen hinunter, die ihn in den vorderen Bereich des Gartens brachten.
    Die Grünfläche und die gestutzten Sträucher zeugten von sorgfältiger Pflege. Irgendwo musste ein Gärtner arbeiten. Doch Paul konnte nirgends jemanden entdecken. Dennoch blieb es eine Frage der Zeit, bis Smith ihn ins Haus zurückzerren würde. Aber diese Spanne beabsichtigte er, ausgiebig zu nutzen. Schnellen Schrittes überquerte er den Rasen bis zum Ende des Grundstücks, rannte durch das Tor, weiter den gepflasterten Weg hinab und stoppte erst, als er den Strand erreichte. Eine leichte Brise kühlte den Schweiß auf seiner Stirn. Als raunte der Wind ihm die Nachricht zu, begann Paul zu ahnen, dass er auf der Insel sterben würde. Er hockte

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