Cigams Sündenfall
schielte mal über die eine, dann über die andere Schulter des weiblichen Gastes hinweg in die Bar, wo die Gäste saßen und nichts anderes taten, als ihn und die Frau zu beobachten.
Sie redeten auch nicht miteinander. Obwohl noch leise Musik klang, kam es dem Mann so vor, als wäre eine Glocke des Schweigens über die Bar gestülpt worden.
So etwas hatte Fernando Diaz noch nicht erlebt, und er schüttelte sich, was ihn auch ärgerte.
»Du kannst mir einen Gefallen tun!«
Die Stimme der Frau riß ihn aus seinen Gedanken. »Ja bitte, was wünschen Sie?«
Kurzes Überlegen und gleichzeitig ein Abschätzen des Mannes, wobei sich ihre glattrasierten Augenbrauen etwas in die Höhe schoben. »Ich will deinen Chef sprechen.«
Er nickte. »Den… ahm… wen sollen Sie sprechen?« Seltsamerweise brachte er es nicht über sich, die Person zu duzen.
»Den Boß!«
»Das geht nicht.« Eine Sekunde später bereute er die Antwort schon, denn die Person schaute ihn an, als wollte sie ihn hypnotisieren. In ihren Augen tanzte ein kaltes Licht, das ihm ein starkes Unbehagen einflößte.
»Warum geht das nicht?«
Jetzt hätte er eigentlich standhaft bleiben müssen. Diaz schaffte es nicht.
Er wich aus und meinte: »Ich kann ja mal nachhören, was Sache ist, Lady. Viele Hoffnungen kann ich Ihnen aber nicht machen. Das müssen Sie mir glauben.«
Sie nickte irgendwie gottergeben. »Ja, versuchen Sie es.«
Diaz brauchte sich nur umzudrehen. Er tat es langsam. Bevor er den Hörer abnahm, wollte er sich eine Ausrede zurechtgebastelt haben. Es war unmöglich, den Boß zu stören. Der drehte durch, wenn dies passierte. Dafür kannte ihn Diaz gut genug. Es gab eben gewisse Regeln, an die sich die Angestellten halten mußten.
Die Unbekannte konnte nicht sehen, wie er den Hörer abnahm. Er tippte drei Tastenfelder und tat wenig später so, als würde er mit einem anderen sprechen. Er gab sich zehn Sekunden, die ihm verflixt lange vorkamen. Danach drehte er sich aufseufzend um und hob gleichzeitig bedauernd die Schultern.
»Nichts?« fragte die Frau mit ihrer kalten Stimme.
»So ist es.«
Sie leckte kurz über ihre Lippen. Diaz sah die Zunge. Sie schimmerte wie feuchtes, graues Metall. »Ich wollte auch nicht mit diesem Frank Rawlins reden, sondern…«
»Moment, er ist der Chef!«
»Für Sie vielleicht. Für mich ist er nur eine Marionette. Es gibt da noch einen anderen.«
»Nein, nicht daß ich wüßte.«
»Lügen Sie nicht!« zischte die Frau. »Es gibt jemand. Und ich kenne auch seinen Namen.«
»Tatsächlich?«
»Costello. Logan Costello, Mister.«
Fernando Diaz hatte in den letzten Sekunden einen großen Teil seiner Sicherheit wiedergefunden. Das änderte sich nach den Worten radikal.
Nicht daß er Furcht gehabt hätte, aber den Namen aus dem Mund dieser Person zu erfahren, glich beinahe einer Gotteslästerung, denn Costello war so etwas wie ein Gott in der Londoner Unterwelt. Ein Mafia-Gott zumindest. Er hielt die Fäden in den Händen. Mit seinen Leuten kontrollierte er ein gewaltiges Imperium, das sich nicht allein auf London beschränkte, sondern tiefer griff. Der Südwesten der Insel stand unter seiner Kontrolle, und seine Verbindungen erstreckten sich zudem bis ins Ausland. Gerade in letzter Zeit hatten sie dort zugenommen. Da hatte nicht nur Italien auf dem Plan gestanden, sondern neuerdings auch der Osten. Polen und Rußland waren Märkte.
Costellos Macht wuchs, und ausgerechnet einen derartigen Mann wollte die Besucherin sprechen.
»Unmöglich«, flüsterte Diaz, obwohl er eigentlich nichts hatte sagen wollen.
»Was ist unmöglich?«
»Daß Sie ihn sprechen.«
»Sie kennen Costello aber?«
»Ja, sein Name ist mir nicht unbekannt, aber für einen normal Sterblichen ist es unmöglich, an ihn heranzukommen. Ich weiß nicht, welcher Teufel Sie geritten hat, hierherzukommen und mir dies ins Gesicht zu sagen.«
»Teufel ist gut«, murmelte sie.
Diaz ignorierte ihre Antwort. Mit einem blütenweißen Tuch wischte er sich den Schweiß von der Stirn und beugte sich dem weiblichen Gast dann entgegen. »Wissen Sie was? Der Wodka geht auf meine Kosten. Rutschen Sie vom Hocker und verschwinden Sie, bitte! Das ist alles, was ich Ihnen noch raten kann.«
Die Frau reagierte kaum. Sie blieb sitzen, hob die Augenbrauen an und fragte dann: »Sie glauben nicht, daß Sie einen Fehler begangen haben, wenn Sie mir das vorschreiben?«
»Das war ein Rat, kein Fehler.«
»Ich denke darüber anders.« Sie schaute ihn kalt
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