Cigams Sündenfall
schon erwartet.«
»Ich weiß«, sagte Altea. Schwungvoll erklomm sie die Kutsche und setzte sich auf eine der beiden Bänke. Jetzt waren beide belegt.
Vor ihr saß jemand, den sie kannte, den sie auch erwartet hatte – es war Cigam!
***
Der Kutscher knallte mit der Peitsche, ohne den Pferderücken dabei zu berühren. Das Tier kannte das Signal, es schüttelte sich noch einmal und setzte sich dann in Bewegung. Die Hufe schrammten über das Kopfsteinpflaster, durch die Kutsche ging ein Ruck, dann rollten auch deren Räder.
Altea sagte kein einziges Wort. Sie starrte nur die ihr gegenübersitzende Gestalt an.
Cigam hatte sich in die rechte Ecke des Sitzes gedrängt. Er trug dunkle Kleidung, wobei die Jacke bis zu seinem Hals hoch geschlossen war.
Sein graues Gesicht sah aus wie eine schiefe Maske, aber nicht, weil er den Kopf etwa schief gehalten hätte, bei ihm wirkten die Proportionen ebenso. Da hatte der Teufel etwas schlecht gemacht, denn das graue Gesicht sah aus, als wäre es aus blinden Spiegelscheiben zusammengesetzt worden. Die Augen standen schief, der lippenlose Mund war ein verzogener Strich, die Nase wirkte wie ein leicht abfallender Strich mit einer Kante, auch die Ohren paßten nicht so recht zu dieser Erscheinung, die Augen ebenfalls nicht.
Sie waren kalte, tote Gewässer, ohne Leben, einfach blicklos. Sie strahlten nicht einmal Kälte aus, sie waren einfach nur da und wirkten wie gläserne Halbkugeln, die jemand in das schiefe Gesicht hineingedrückt hatte.
Cigam war eine Gestalt ohne Gefühl, und diese Augen unterstrichen die Tatsache noch mehr.
Altea sagte nichts. Sie schaute Cigam nur an, der für sie so etwas wie ein Bruder war, da beide auf denselben Schöpfer zurückblicken konnten.
Sie schauten sich in die Gesichter, doch sie enthielten sich eines Kommentars. Altea blickte auf Cigams Hände. Sie lagen ausgestreckt über der grauen Decke, die die obere Hälfte seiner Beine und Schenkel bedeckte.
Erst als die Kutsche den Ort des Geschehens passiert hatte, begann er zu sprechen. »Du hast versagt!«
Altea konnte nicht widersprechen. Es stimmte. Im Prinzip hatte sie versagt.
»Warum?«
»Sie waren schneller.«
»Wer?«
»Sie alle.«
»Und jetzt?«
»Wir werden einen erneuten Anlauf starten.«
Zum erstenmal lächelte das Kunstgeschöpf des Teufels. Es war kein Lächeln, wie man es normalerweise kannte. Es glich mehr einem starren, bösen Grinsen, als sich der Spalt, der den Mund darstellen sollte, in die Breite zog und gleichzeitig in die Höhe, als sollte das schiefe Gesicht auf der rechten Wange einen erneuten Einschnitt bekommen, denn bei genauerem Hinsehen war zu erkennen, wo sich die einzelnen Teile des Gesichts berührten, da zeigte die ›Haut‹ hauchdünne Fäden.
»Das ist schlecht. Du weißt, um was es geht.«
»Ja.«
»Du hast den Meister enttäuscht!«
»Ich werde es wieder richten.«
Cigam schwieg, auch Altea wußte nicht, was sie dazu sagen sollte. Das Pferd zog die Kutsche, und die unverwechselbare Lärmkulisse baute sich wieder auf. Sie sahen sich nur selbst, von der Umgebung bekamen sie nichts mit, und auf der Decke bewegte Cigam unruhig seine Hände.
»Glaub es mir«, sagte Altea.
»Er wird dich vielleicht bestrafen!«
»Nein, er muß mir eine Chance geben. Du kennst die beiden Männer und weißt, wie gefährlich sie sind…«
»Das stimmt.«
»Ich habe es nicht geschafft. Ich war nahe dran, dann war das Schicksal gegen mich.«
Cigam nickte, ohne überzeugend zu wirken. »Du wirst es dem Meister erklären müssen.«
»Wartet er?«
»Mit den anderen.«
»Dann fahren wir jetzt zu ihm?«
»Ja.«
»Was wird Costello sagen?«
»Ich weiß es nicht, aber er wird kaum Chancen haben. Er soll sich heraushalten. Diese Stadt gehört uns. Wir werden die neuen Golems schaffen, wir werden sie anders machen als der Rabbi. Wir werden sie nicht aus Lehm formen, sie werden sein wie du, und wenn uns Costello dabei hilft, kann er bleiben. Wenn nicht, werden wir ihn zerreißen und fressen.« Für einen Moment schillerten seine Augen, und Altea nickte.
Damit war sie voll und ganz einverstanden.
»Wo wartet er?«
»In dem alten Haus.«
»Fährt der Kutscher hin?«
»Ja.«
»Was machen wir mit ihm?«
»Ich weiß es nicht.«
»Kann er uns verraten?«
»Er ist eigentlich hirnlos. Wir haben ihn gekauft. Er soll uns fahren, wohin wir wollen. Ich habe ihm auch Geld gegeben.«
Die schöne Kunstfrau nickte. Sie war zufrieden, sie vertraute Cigam. Es gab ihn schon
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