Cinderella auf Sylt - Bieling, E: Cinderella auf Sylt
da rüber.«
»Ins Café? »Au ja, ich will einen Kakao. Einen ganz heißen mit viel Sahne und bunten Streuseln.«
Das Café war voller Menschen. Cinderella blickte zur Uhr, die in Form einer Kaffeetasse über dem Kuchentresen hing. Noch knapp eine Stunde. Sie fröstelte ebenfalls. Die Tür stand offen, und es zog ihr ins Kreuz. Vielleicht würde ja irgendwann die Bedienung ihre Unterkühlung wahrnehmen und die Tür schließen. Und falls nicht? Sie sprang auf und zwängte sich durch die Stuhlreihen. »Entschuldigen Sie bitte, darf ich vorbei?«
Der Mann, der ihr im Weg saß, ignorierte die Aufforderung, Platz zu machen. Cinderella drückte sich dennoch an ihm vorbei. Mit einem Ruck warf sie die Tür ins Schloss. Gerade als sie sich erneut an dem dickbäuchigen Ignoranten vorbeiquetschen wollte, ertönte hinter ihr die Stimme der Bedienung. »Verzeihung, aber die Tür muss offen bleiben.«
»Es zieht wie Hechtsuppe hier«, erwiderte Cinderella.
»Das tut mir leid, aber solange wir Gäste auf der Terrasse haben, muss die Tür offen sein.« Die brünette Serviererin öffnete die Tür wieder und schob zusätzlich ein Kantholz darunter. Cinderella blätterte leicht zornig die Kuchenkarte durch. Wallnusstorte, Zitronenschnittchen …
Was denkt sich diese dumme Kuh?
»Komm, Tommy, wir gehen.«
»Aber ich will erst meinen Kakao.«
»Später, im Hotel.«
»Dann will ich aber keinen mehr.«
»Okay, auch gut.« Cinderella fuhr hoch und stieß dabei ihren Stuhl so heftig nach hinten, dass er gegen den des pausbackigen Ignoranten knallte. Der Mann verschluckte sich und hustete. »Na, hören Sie mal«, beschwerte er sich röchelnd.
Cinderella überhörte seinen Einwand und griff nach Tommys Rucksack. »Los, komm schon.« Murrend folgte er seiner Mutter nach draußen, wo es immer noch stürmte.
Strandpromenade 389 B. Endlich! Cinderella stieg ab und blickte an der restaurierten Fassade noch oben.
Hübsch, wirklich hübsch.
Das Haus glich einem Einfamiliendomizil – zwei Etagen, ein Dachboden, Grünfläche mit Grillplatz. Es passte perfekt in ihr Traumbild.
Ach, könnte Oma Trautchen das nur sehen.
Ein passenderes Zuhause würde sie nicht finden können. Fast wie in Zeitlupe schob sie das Rad über den mit Mosaiken gepflasterten Weg zur Eingangstür. Tommy zitterte noch immer. Seine Lippen hatten inzwischen eine bläuliche Färbung.
»Komm, kleiner Eisprinz, steig ab«, forderte Cinderella ihn auf.
Wortlos gehorchte er. »Hallo, Frau Preußer, hier oben.« Elsbeth Schmiedel winkte aus einem der Fenster. Einzelne Locken ihres ergrauten Haares kringelten sich unter einem rosakarierten Hut hervor. »Kommen Sie hoch. Die Haustür ist offen.«
Mit einem flauen Gefühl im Bauch betrat Cinderella den Flur des luxuriösen Hauses. Das Apartment lag im zweiten Stock. Es roch nach Essen.
Kohlroulade? Krautgulasch? Egal. Ich will hier einziehen!
Sie spürte, dass sie Hunger bekam.
Einen Herd. Ich brauche dringend einen Herd,
ging es ihr durch den Kopf. Einen, auf dem sie riesige Portionen Hausmannskost für wenig Geld zaubern konnte. Diese Gabe hatte sie von Oma Trautchen – aus wenigen Produkten ein gutes Essen zu kochen. Zaubern hatte es ihre Großmutter genannt.
Die hagere Vermieterin lächelte ihr freundlich entgegen. »Wie ich sehe, sind Sie in den Regen geraten.«
»Ja, leider.«
»O je, der Kleine ist ja völlig durchgefroren.«
Zögerlich griff Tommy nach der faltigen Hand der alten Dame. »Und ganz kalte Händchen hat er.« Sie murmelte etwas und verschwand im Apartment. »Ein warmes Bad mit dem richtigen Zusatz wird ihm helfen«, rief sie von drinnen. »Und schließen Sie die Tür hinter sich. Die Rößler von nebenan ist schlimmer als die Presse.«
Minuten später war die Eckbadewanne mit Wasser vollgelaufen. Der Badezusatz duftete nach Thymian. Cinderella mochte dieses Kraut nicht sonderlich. Dennoch genoss sie die Atmosphäre, die vom Badezimmer ausging. Hell, freundlich, mit Waschtisch und Toilette.
Perfekt. Einfach perfekt.
Dieses Bad war vollkommen. Selbst die Seepferdchen, die jede dritte Fliese zierten, gefielen ihr. »Ein schöneres Bad gibt es nicht. Stimmt’s, Tommy?«
Ein mürrisches »Weiß nicht« signalisierte seinen Unmut über das bevorstehende Bad. Unsicher griff er nach ihrer Hand. »Muss ich jetzt da drin baden?«
»Frau Schmiedel will doch nur, dass du keinen Schnupfen bekommst.«
»Ich will aber einen Schnupfen bekommen.« Seine Augen wanderten ängstlich umher.
»Ach, Schatz, du
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