Cinderella auf Sylt - Bieling, E: Cinderella auf Sylt
Mutter meines Vierhundert-Euro-Basis-Sohnes duzen möchte?« Er nahm seine Tasse auf, stieß damit gegen ihre und setzte sich neben sie. »Auf ein Du«, flüsterte er lächelnd hinzu.
Cinderella spürte erneut die Hitze, die ihren Körper durchfuhr. Der Geruch seines Eau de Toilette vernebelte ihre Sinne. »Ja«, hauchte sie. Er trank einen Schluck, stellte seine Tasse zurück und legte erneut den Arm um sie. »Ich möchte dich küssen.«
Küssen?
Cinderellas Hände umklammerten zittrig die Tasse, die schützend an ihren Lippen lag.
Wach auf, Brödelchen! Verpass dem lüsternen Amphib einen Korb und schick ihn zurück in seinen Sumpf.
Verlegen nippte sie am Kamillentee, auf der Suche nach einem Weg aus der sich anbahnenden Situation. Wusste sie doch zu gut, dass ein einziger Kuss oftmals das ganze Leben verändern konnte.
Eine Allergie! Ich könnte eine Allergie vortäuschen.
Sein Gesicht vergrub sich in ihren Nacken, während seine Hände unter ihren Pullover glitten. Nach und nach rutschten seine Lippen näher an ihre, die sich um den Rand ihrer Tasse pressten.
»Nein!«
Er zog erschrocken seine Hände zurück. »Was?«
»Ich habe eine Allergie.«
Er nahm ihre Tasse und stellte sie weg. »Du kannst nicht küssen, weil du eine Allergie hast?«
Sie wich seinen durchbohrenden Blicken aus. »Ja.«
»Interessant. Du reagierst also mit gewissen Symptomen auf das Berühren meiner Lippen?« Seine linke Hand streifteüber ihre rechte Wange zum Ohr. Dabei drehte er ihren Kopf zärtlich in seine Richtung.
Cinderella wurde noch nervöser. »Ich … ich …« Ihre Lider verdreifachten ihre Geschwindigkeit und klimperten planlos vor sich hin.
Ich brauche eine Kröten abschreckende Allergie!
»Ja, so ähnlich. Nur schlimmer.«
»Aha! Vielleicht sollten wir es dennoch versuchen?«
»Nein! Ich …« Er drückte seine Lippen auf ihre, während seine Hände durch ihr Haar fuhren. Überrascht von seinem unglaublichen Kuss, ließ sie es geschehen. Ihre Anspannung katapultierte die Herzfrequenz auf ein gefährliches Maß. Cinderella schien zu schweben. In ihrem Kopf war völlige Leere. Und so sehr sie sich auch innerlich wehrte, konnte sie doch nichts dagegen tun.
Ein Froschkönig ohnegleichen
Die Tage kamen und gingen. Im Nu war der Herbst vorangeschritten. Cinderella hatte Tommy dick angezogen und war mit ihm zum Strand gelaufen. Vereinzelt spazierten noch Späturlauber herum. Sie blickte sich um, konnte aber Moritz nicht entdecken. Er hatte sie zum Strand gelockt, wollte ihr und Tommy etwas zeigen. Strandkorb 599 musste ganz in der Nähe sein. Diesen Treffpunkt hatte Moritz genannt.
»Mama, schau mal, ein Drache«, rief Tommy begeistert und rannte los. »Warte, nicht so schnell«, versuchte Cinderella ihn zu zügeln. Aber er hörte sie nicht. Im Laufschritt folgte sie ihrem Sohn, der in die Luft blickend den Strand entlang hastete. »Pass auf«, schrie sie noch hinterher. Aber Tommy hatte nur Augen für den Drachen und prallte gegen die Rückwand eines nach hinten gekippten Strandkorbs.
»Aua«, jammerte er und warf sich in den Sand.
Das Pärchen, das in dem Strandkorb lag, lehnte sich seitlich über die Armstützen und betrachtete den Störenfried, der ihre Liebkosungen unterbrochen hatte.
Eine Affäre,
dachte Cinderella, als sie den um Jahrzehnte älteren Mann musterte. Sein schütteres Haar wehte im Wind, und an seinem rechten Ringfinger war deutlich der Abdruck eines Eheringes erkennbar.
Eine typische Geschäftsreise mit Sekretärin,
dachte sie angewidert.
Tommy saß im Sand und hielt sich seinen Arm. »Mama, der tut weh.«
Cinderella hockte sich neben ihn. »Zeig mal her.« Behutsamkrempelte sie den Ärmel seiner Jacke hoch. »Das wird ein Monsterfleck«, sagte sie kopfschüttelnd. »Ich hab doch gesagt, pass auf.«
Tommy, der mit den Tränen kämpfte, musste plötzlich lachen. »Ein Monsterfleck mit Auge, Nase, Mund.«
»Hä?«
»Ich kann dem Monsterfleck doch ein Gesicht malen. Dann kann er gucken.«
»Auf Sachen kommst du.« Cinderella schmunzelte. In solchen Momenten fragte sie sich jedes Mal, von wem er seine Fantasie geerbt hatte. Sie rieb über die sich bläulich verfärbende Stelle. »Bis du groß bist, ist das wieder verheilt.«
Tommy schob seinen Ärmel zurück, sprang auf und begann zu hüpfen. »Da hinten, da ist Moritz.«
»Wo?«
»Na da.« Er zeigte zu einem der Strandkörbe. Und tatsächlich! Moritz saß auf einem aufblasbaren Hocker und winkte mit irgendwas.
Was hält er da in seiner
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