Cinderella auf Sylt - Bieling, E: Cinderella auf Sylt
einem Bügel an der Wand hing. »Na ja, nicht so wirklich. Aber die Wollkünstlerin hat mir ein marmoriertes Einzelstück besorgt, das farblich wenigstens nicht absticht.«
»Gut! Wann holt es die quietschige Dame ab?«
Cinderella stieß ihn gegen den Arm. »Hey, Frau von Wegerich quietscht nicht.«
»Eine quietschende Opernsängerin mit Geschmacksverirrungen.«
»Hör auf! Das ist nicht fair. Sie singt wunderschön.«
Moritz schob sich einen Löffel Eintopf in den Mund und lachte. »Trällert wie ein Vögelchen, dem gerade ein Viertonner über den Schwanz gefahren ist.« Er verschluckte sich. »Sorry«, hustete er. »Aber diese von Wegerich ist schon ein komischer Singvogel.«
»Und wenn schon! Sie bezahlt doppelt soviel wie die anderen.«
»Dafür hat sie aber auch doppelt soviel sonderbare Ansprüche.« Moritz verzog das Gesicht und kniff die Augen zusammen. Mit aufgepusteten Backen äffte er Cinderellas beste Kundin nach. »Äh ja, und die Knöpfe sollten unterschiedliche Formen und Farben haben und mit dem gezackten Saum sowie mit dem Design meiner Nägel harmonieren.« Er klopfte mit seinen Fingern rhythmisch auf den Tisch. »Sehen Sie? Der neueste Schrei aus Mailand.«
Erzürnt über den Spott, streifte Cinderella die Decke ab. »Würdest du mir bitte den Teller reichen?«
Moritz wurde ernster.
»Entschuldige, aber die gute Dame hat ständig Extrawünsche. Und du? Du sitzt nächtelang da und nähst dir die Finger wund.«
»Stimmt! Weil es mein Job ist!«
»Dein Zweitjob«, korrigierte er sie.
»Aber dennoch mein Job.«
Moritz rückte näher.
»Hey, lass mir was übrig.« Er starrte auf den Teller in Cinderellas Hand.
»Mach den Mund auf, Mister Nörgel.«
»Hm, der ist wirklich gut. Selbst kalt noch«, schwärmte er erneut. »Hast du schon einmal über ein eigenes Label nachgedacht?«
Cinderella verstand nicht. »Wie meinst du das?«
»Eine eigene Kollektion.«
»Dafür ist meine Zeit zu knapp.«
»Aber nicht, wenn du Angestellte hättest und dich nur noch dem Designen der Kleider widmen würdest.«
»Ich und Angestellte?« Sie stieß ihn zärtlich in die Rippen und kicherte. »Blödsinn.«
»Nein! Das ist mein voller Ernst. Du hast da ein Händchen für.«
»Und wo sollen all meine Angestellten arbeiten? Hier?«
»In deiner Boutique.«
»Meiner Boutique?«, wiederholte sie.
Seine Hände strichen ihr durchs Haar, während er ihr einen Kuss auf die Lippen drückte. »Ja. Ein Schneiderlädchen in Muschelform. Und über der Ladentür wird
Cinderellas Dream
stehen. Was hältst du davon, meine holde Designer-Prinzessin?««
»Eine wirklich schöne Vorstellung. Vielleicht mache ich das! Irgendwann.«
Ihre Hände glitten unter seinen Pullover. »Aber vorerst ist dafür kein Geld übrig. Das benötige ich nämlich für einen gewissen Studenten mit frechem Mundwerk und einer unglaublich schönen Fantasie.«
Er wich zurück. »Ich will es nicht!«
»Was?«
»Das Geld!«
»Blödsinn! Du brauchst es doch fürs Studium und die Pension.«
»Ja, schon! Aber du vergisst, dass ich nicht mehr für dich arbeite.«
»Tust du nicht?« Cinderella kicherte. »Ist mir gar nicht aufgefallen, dass du gekündigt hast.«
»Hör auf mit dem Quatsch.« Moritz wurde zunehmend wütend. »Ich nehme kein Geld von dir und Basta!«
»Aber …«
»Nix aber! Steck es in Tommys Spardose.«
»Fast Vierhundert Euro im Monat?«
Er kratzte über sein Kinn. »Stimmt! Ein bisschen viel Geld für einen Fünfjährigen, oder? Wahrscheinlich würde er davon einen Panzer kaufen.«
»Oder einen Krabbenkutter.« Cinderella lachte. »Nein, im Ernst, wie willst du alles finanzieren ohne das Geld?«
»Ich suche mir einen Job. In einem Büro oder so. Vielleicht auch im Hafen.«
»Und Tommy? Er braucht dich. Wann wirst du noch Zeit für ihn haben?«
»Ich kriege das hin. Ist ja nicht für dauerhaft.«
Cinderella lehnte ihren Kopf an seine Schulter. »Oder du wohnst hier.«
Moritz schüttelte den Kopf. »Und schlafe auf zwei zusammengeschobenen Sesseln?«
»Du nimmst das Sofa und ich die Sessel.«
Sein Finger strich sanft über ihre Stirn. »Du bist echt süß. Aber was wäre ich für ein Mann, ließe ich meine Prinzessin auf zwei solch altertümlichen Sitzmöbeln schlafen.« Seine Hand wies zum Sessel, auf dem seine Füße ruhten.
»Ich bin ja nicht die Prinzessin auf der Erbse«, argumentierte Cinderella dagegen.
»Stimmt!« Er küsste ihre Stirn. »Du bist viel empfindsamer als jene Königstochter.«
»Bin ich
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