Cinderella kehrt zurück
Körper geschlungen, als müsste sie sich vor der Kälte schützen. In Wirklichkeit versuchte sie sich einfach nur zu beherrschen, so gut sie konnte. Sonst wäre sie ihm womöglich hinterhergelaufen und hätte ihn angefleht, doch bitte wieder zurückzukommen.
9. KAPITEL
Am Samstagnachmittag arbeitete Eden am Computer auf der Polizeiwache. Sie war nicht gerade in allerbester Verfassung – wie auch, wenn Cam genau neben ihr saß?
In seinem hellen Pulli und den engen Jeans sah er einfach umwerfend aus. Er war frisch rasiert und roch unglaublich gut – und brachte sie vollkommen aus dem Konzept. Erst recht, wenn sie daran dachte, was gestern Abend fast passiert wäre.
An ein vernünftiges Arbeiten war also überhaupt nicht zu denken. Ständig vertippte sie sich und rief die falschen Programmfunktionen auf, nichts klappte auf Anhieb.
Dann endlich, nachdem sie mehrere Stunden an dem Phantombild gearbeitet hatte und dies und jenes verändert hatte, lehnte Cam sich zurück. „Ich hatte schon die ganze Zeit so einen Verdacht … und jetzt hat er sich bestätigt. Ich weiß nämlich, wer das ist.“
Auch Eden lehnte sich ein Stück zurück, um einen besseren Gesamteindruck von dem Bild zu bekommen. „Mir kommt sie auch bekannt vor, aber ich kann sie immer noch nicht unterbringen.“
„Das ist Leslie. Leslie Vance.“ Er klang völlig verblüfft.
„Hm, der Name sagt mir erst mal nichts“, überlegte Eden laut. „Wer war das doch gleich?“
„Sie arbeitet für unsere Reinigung, die meine Schwester Mara inzwischen übernommen hat, und hat da vor meiner Geburt schon angefangen. Als meine Mutter noch gelebt hat, war Leslie ihre beste Freundin.“
„Ach, die Frau aus der Reinigung!“ Jetzt wusste auch Eden Bescheid. „Das ist in Wirklichkeit meine Großmutter?“
„Ja, und für mich gehört sie fast zur Familie.“
„Unglaublich, ich kann mich kaum an sie erinnern.“ Fassungslos starrte Eden auf den Monitor.
„Das liegt wahrscheinlich daran, dass Leslie sich immer still im Hintergrund gehalten hat. Wir dachten, sie wäre einfach schrecklich schüchtern und würde sich nur wegen Mom einigermaßen bei uns wohlfühlen. Tja, und seit Mara die Reinigung übernommen hat … arbeitet sie tagtäglich mit Leslie zusammen.“
Er schüttelte den Kopf. „Ich fasse es einfach nicht. Und Mara … Mara flippt wahrscheinlich völlig aus.“
„Glaubst du, dass deine Mutter Bescheid wusste?“, erkundigte sich Eden. Sie war ebenfalls ziemlich durcheinander.
„Ganz bestimmt nicht. Meine Mutter kam nicht aus Northbridge, sondern von der Westküste, aus dem Bundesstaat Washington. Sie ist erst 1969 hierher gekommen und hat mit dem Geld, das sie von ihren Eltern geerbt hat, die Reinigung gekauft. Da war der Bankraub aber schon längst vergessen.“
„Dann kannte sie Celeste gar nicht als Celeste.“
„Nein. Meine Mutter hat mir erzählt, dass Leslie – also Celeste – sich einfach eines Tages bei ihr vorgestellt hat. Mom hatte damals eine Aushilfe gesucht, und Leslie hat sich um den Job beworben und ihn auch bekommen. Von da an haben sie jeden Tag zusammen im Laden gearbeitet und sich langsam angefreundet, obwohl Leslie fast zehn Jahre älter war als meine Mutter.“
„War sie denn nicht sogar ihre beste Freundin?“, hakte Eden nach.
„Ja. Als meine Mutter mit meinem Vater durchgebrannt ist, war Leslie ihre Trauzeugin. Und Mom hat mir auch erzählt, dass Leslie nach ihr selbst und unserem Vater die Erste war, die mich und meine Geschwister als Babys im Arm halten durfte. Als unser Vater uns dann alle im Stich gelassen hatte und Mom deswegen fast einen Nervenzusammenbruch hatte, war Leslie für sie da.“
Cam schwieg eine Weile, schließlich holte er tief Luft und fuhr fort: „Mom hat sie zu jedem Familienfest eingeladen, weil Leslie sonst niemanden hatte … und sie kommt immer noch an allen wichtigen Feiertagen zu uns. Sie hat sich mit uns um Mom gekümmert, als sie nierenkrank wurde und es immer schlimmer wurde. Und als Mom gestorben ist, hat Leslie ihre Hand gehalten …“ Schon wieder schüttelte Cam den Kopf. „Ich kann das einfach nicht glauben.“
„Hat sie denn jemals etwas über unsere Familie gesagt?“, wollte Eden wissen. „Über Dad oder Onkel Carl? Oder den Pfarrer?“
„Nein. Jedenfalls nichts, an das ich mich erinnern könnte.“
„Aber sie hat doch bestimmt mal etwas über ihre Vergangenheit erzählt. Darüber, was sie gemacht hat, bevor sie in der Reinigung angefangen
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