Cinderella kehrt zurück
hat.“
„Hat sie aber nicht“, erwiderte Cam. „Mom meinte, Leslie wäre an keinem festen Ort aufgewachsen. Ihr Vater war wohl Soldat, also ist die Familie immer wieder umgezogen, aber davon hat Leslie nichts Genaueres erzählt. Und wenn Leslie bei uns ist, dann geht es eigentlich immer nur um uns. Dann fragt sie uns, was wir gerade so machen – aber sie bleibt dabei immer außen vor. Ganz schön egozentrisch von uns.“
„Ich weiß nicht, ich kann mir vorstellen, dass Leslie das auch so gewollt hat.“
„Ja, aber …“ Plötzlich schien ihm etwas einzufallen. „Entschuldige bitte, Eden, ich denke ja schon wieder nur an mich“, sagte er. „Für dich muss das hier wirklich seltsam sein. Dass deine eigene Großmutter die ganze Zeit in Northbridge gewohnt hat – sozusagen bei dir um die Ecke –, und du hast nie etwas davon gewusst. Ist Leslie – ich meine: Celeste – eigent lich irgendwann mal auf dich zugekommen? Oder auf deinen Vater oder Onkel?“
„Nein, wenn wir miteinander gesprochen haben, dann immer nur über die Sachen, die ich zur Reinigung gebracht habe“, sagte Eden. „Irgendwie komisch, dass sie ausgerechnet in der Reinigung gearbeitet hat. Früher oder später musste sie da ja jeder, der hier wohnt, zu Gesicht bekommen.“
„Vielleicht war das ihre beste Tarnung?“, vermutete Cam. „Oder aber sie wollte entdeckt werden. Keine Ahnung.“
„Ich glaube nicht, dass sie entdeckt werden wollte. In ihrer Freizeit hat sie sich schließlich immer zurückgezogen. Und irgendwie musste sie ja Geld verdienen.“
Cam suchte das alte Zeitungsfoto von Celeste Perry heraus und hielt es neben das bearbeitete Bild auf dem Monitor. Jetzt, wo die Aussage der Kellnerin aus Bozeman mit eingeflossen war, hatte das Phantombild kaum mehr Ähnlichkeit mit dem alten Zeitungsausschnitt. „Die Gefahr, dass jemand sie wiedererkennen könnte, war aber nicht sehr groß“, bemerkte er.
Je länger Eden sich das Gesicht ihrer Großmutter ansah, desto mehr bereute sie, dass sie diesen Auftrag angenommen hatte. Es tat ihr leid, dass ausgerechnet sie diejenige war, die diese Frau an die Öffentlichkeit zerrte: diese Frau, die bisher ein fast völlig zurückgezogenes Leben geführt hatte. Die so vieles aufgegeben hatte, um einfach weiter in Northbridge wohnen zu können und in der Nähe ihrer Familie zu sein. Was jetzt wohl aus ihr werden würde?
Zum ersten Mal gab Eden ihrem Großvater recht: Sie hätte den Auftrag nicht übernehmen dürfen.
„Können wir das Ganze nicht einfach für uns behalten?“, schlug sie Cam vor.
Daran, dass Cam nicht sofort antwortete, merkte sie, dass er ernsthaft darüber nachdachte. Er seufzte. „Du weißt selbst, dass wir das nicht tun können.“
„Ich kann sie ja einfach noch mal anders bearbeiten.“
Cam lächelte. „Wir kommen aber um die Sache mit dem Gewicht und der Frisur nicht herum, und beides ist ziemlich verräterisch.“
„Dann könnten wir Celeste doch warnen … damit sie die Stadt verlassen kann, bevor wir die Bilder öffentlich herumzeigen.“
„Eden, das geht nicht. Damit machen wir uns möglicherweise der Beihilfe in einem Mordfall schuldig.“
„Glaubst du denn wirklich, dass sie den zweiten Bankräuber umgebracht hat?“, wollte Eden wissen.
„Nein. Schon gar nicht jetzt, wo ich weiß, wer sie wirklich ist.“
„Aber du meinst, dass sie trotzdem dafür verurteilt werden könnte?“
„Ich weiß es nicht“, sagte Cam. „Das hängt davon ab, was Leslie dazu zu sagen hat.“
„Können wir sie nicht wenigstens darauf vorbereiten, was demnächst auf sie zukommt? Dass sie sich auf Besuche von der Bundespolizei und dem FBI einstellen muss? Dann ist der Schock für sie nicht ganz so groß.“ Aus Edens Sicht war dies das Mindeste, was sie für ihre Großmutter tun konnte.
Cam überlegte eine Weile. „Ich muss jetzt erst mal weitergeben, was wir gerade herausgefunden haben; aber bis die Leute hier eintreffen, dauert es noch ein bisschen, und in der Zwischenzeit können wir ja schon mit Leslie reden.“
„Cameron, mein Lieber, das ist ja eine nette Überraschung!“ Die ältere Frau, die Cam und Eden die Wohnungstür geöffnet hatte, strahlte sie beide an. Unter anderen Umständen hätte Eden es wahrscheinlich lustig gefunden, dass jemand Cam mit seinem vollen Namen ansprach. Da es sich dabei aber um die Frau handelte, die sie bis eben noch unter dem Namen Leslie Vance gekannt hatte, konnte Eden darüber im Moment nicht lachen.
„Und Eden Perry
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