Cinderella undercover
und wirbelte mich so lange im Kreis herum, bis mir fast schlecht wurde. Leopold und Paule standen fest umschlungen daneben und amüsierten sich köstlich. Nachdem ich schließlich mit zittrigen Beinen wieder zum Stehen gekommen war, rief GG:
»Liebchen, deine Sachen sind absolut F.A.N.T.A.S.T.I.S.C.H!«
Ich konnte es kaum glauben: »Echt jetzt?!?«
»Echt! Das ist wirklich total irre! Ich hoffe, du hast das alles fotografiert?!?«
Ich schwebte wie auf Wolken. Vergessen waren die langweilige Partys und mein Daniel-Gefühls-Chaos. Alles, was jetzt zählte, war dieser Moment – und meine Kunst!
Derart motiviert und beschützt von meinen Freunden, die sichtlich Spaß an unserer Underground-Aktion hatten, klebte ich wie im Rausch weitere vierzig Bilder. GG half mir, die Motive mit Kleister zu bepinseln. »Wann hast du die denn eigentlich alle gemalt?«, fragte er, nachdem wir die erste Hälfte fein säuberlich an die Holzwand geklebt hatten.
»Letzte Woche«, antwortete ich und betrachtete mein Werk aus ein paar Schritten Distanz. Der Bauzaun sah mittlerweile aus wie die Ausstellungswand in einem Museum. Zu schade, dass das alles irgendwann entfernt und zerstört werden würde.
Aber so war das eben mit Street-Art: Sie gehörte nicht dem Künstler, sondern den Menschen der Stadt!
»Beeindruckend, Liebchen, wirklich beeindruckend«, murmelte GG immer wieder. Erst jetzt fiel mir ein, dass ich ihn noch gar nicht gefragt hatte, wie seine Reise gewesen war.
»Wie lief es denn eigentlich in Berlin?«, wollte ich wissen, während Yannick eine Sektflasche öffnete und den Inhalt auf die edlen, langstieligen Plastikgläser verteilte, die ich ebenfalls von der Party gemopst hatte.
»Du hattest recht, diese Casting-Show scheint tatsächlich nichts für mich zu sein«, antwortete GG mit ungewohnt ernster Miene. »Aber lass uns jetzt nicht von mir reden. Heute ist dein Abend. Das hier hat fast etwas von einem Happening – oder einer Vernissage. Also Leute, hebt das Glas auf dieses wunderbare neue Talent am Street-Art-Himmel. Auf dich, Cynthia!«
Ich hätte beinahe vor Rührung geweint, als wir uns gegenseitig zuprosteten, jeder Einzelne mich umarmte und zu meiner Kunst beglückwünschte.
Schade, dass Daniel nicht hier war, um das alles zu sehen…
Schade, schade, schade!
27.
»Guck mal, Cynni-Maus, das hier ist doch was für dich«, sagte Paps und schaute mich am Montagmorgen gut gelaunt über den Rand des Hamburger Abendblatts hinweg an. Mir plumpste wegen akuter Übermüdung beinahe der Löffel in meine Cornflakes – die letzten Nächte hatte ich eindeutig zu wenig geschlafen. Ich zwang mich, meine Augen noch ein paar Millimeter mehr zu öffnen, und mein Blick fiel auf Bilder, die einen Bauzaun zierten und mir irgendwie bekannt vorkamen.
Darüber prangte die Schlagzeile:
Hamburgs Street-Art-Kunst ist weiblich!
Sofort war ich hellwach.
Das durfte doch nicht wahr sein!
Wie um alles in der Welt waren die Fotos von meinen Bildern an die Presse geraten?
Ich rief: »Gib her«, und entriss meinem Vater die Zeitung.
Die Grazien schreckten aus ihrem morgendlichen Frühstücksschlaf hoch und sahen mich alle drei erschrocken an. »Ist was passiert?«, fragte Stephanie besorgt, nur Felicia sackte sofort wieder in sich zusammen. Ihre öde Party hatte erstaunlicherweise bis drei Uhr morgens gedauert, auch wenn es mir absolut schleierhaft war, wie die Gäste das so lange ausgehalten hatten. »Zeig mal«, forderte nun auch Kristen, stellte sich hinter meinen Stuhl und betrachtete den Artikel, der eine komplette Doppelseite einnahm. »Sieht irgendwie so aus, als wären die Bilder von dir«, murmelte sie und mein Herz setzte für einige Schläge aus. Ich musste um jeden Preis vermeiden, dass irgendjemand herausfand, dass ich für diese illegale Aktion verantwortlich war.
»Wer auch immer sich hinter den geheimnisvollen Initialen AP verbirgt, hat eindeutig ein Herz für Hamburgs Frauen. Im Gegensatz zu den vielen maskulinen Motiven der Sprayer und Graffiti-Künstler stehen bei APs Arbeiten eher weibliche Themen im Vordergrund. Wer es genauer wissen will, sollte sich bald in die Nähe des Michels begeben, bevor…«, las Kristen vor. »Hey, das ist ja bei uns um die Ecke!« Ich hatte das Gefühl, dass mein gesamtes Blut in den Kopf geschossen war.
Stephanie musterte mich eindringlich, nur Felicia schwebte immer noch in ihrem ganz eigenen Universum.
»Ach, ist es das?«, fragte ich so teilnahmslos wie möglich und war
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