Cinderella undercover
Egal, was auch in Zukunft passieren würde: In diesem Leben würden wir keine Freundinnen mehr werden!
Um zehn nach sieben war Felicia immer noch im Bad, weshalb ich beschloss, lieber auszuweichen, anstatt mich aufzuregen. Also schleppte ich meine Utensilien in das Badezimmer von Stephanie und Paps und begann mit dem Styling.
Um Viertel vor acht war ich endlich so weit: Ich hatte mir einen Zopf geflochten, der seitlich unter dem weißen Herrenhut herausschaute und locker über meine Schulter fiel. Dazu trug ich den silbernen Anzug, darunter ein weißes Shirt, auf den Lippen Paulines Plume-Lippenstift und an den Füßen Thermoboots, um unfallfrei zum Festivalzelt zu kommen. Leopolds Seidenpantoffeln würde ich in meine Tasche stecken.
»Ah, hier bist du«, rief Kristen, die mich offenbar schon gesucht hatte, und lachte, als ihr Blick auf mein derbes Schuhwerk fiel. »Na, das nenne ich mal Kontrastprogramm«, grinste sie, sah aber selbst überhaupt nicht so aus, als würde sie gleich zu einer Party gehen. »Ich wollte dir nur Bescheid geben, dass ich heute Abend nicht mitkomme, weil ich mich um Mom kümmern möchte. Du könntest also meine Einladung haben, wenn du möchtest. Vielleicht hat ja eine deiner Freundinnen Lust, dich zu begleiten?
»Das ist aber lieb von dir«, antwortete ich, nahm die Karte entgegen und überlegte, was Paule und Louisa heute Abend vorhatten. »Geht es denn Stephanie heute immer noch so schlecht? War sie beim Arzt?« Kristen schüttelte den Kopf. »Soweit ich weiß, nicht. Im Laden hat sie heute eine Aushilfe vertreten und ich denke, dass sie die meiste Zeit geschlafen hat. Dein Vater hat übrigens vorhin angerufen und lässt dich schön grüßen. Er macht sich ein bisschen Sorgen um Mom und hat uns gebeten, ein Auge auf sie zu haben.« Mich überfiel schlagartig so etwas wie schlechtes Gewissen. »Soll ich lieber auch hierbleiben?«
»Nein, danke, das ist nicht nötig. Ich bin eh nicht so besonders scharf auf die Party. Diese Kunst- und Theaterszene schüchtert mich sowieso nur ein. Außerdem kommt heute Abend Twighlight im Fernsehen, also bin ich bestens versorgt. Geh du nur und amüsier dich für mich mit!«
»Okay, dann danke. Meld dich aber, falls du meine Hilfe brauchst. Ich hab mein Handy an.«
Nachdem Kristen sich verzogen hatte, rief ich bei Paule an. Die kreischte vor Begeisterung, als sie hörte, dass ich noch eine Karte übrig hatte: »Ich habe zwar keine Ahnung, was ich anziehen soll, aber egal! Ich bin in einer halben Stunde da.«
Da ich nicht alleine bei der Party auftauchen wollte, beschloss ich, auf das Buffet zu verzichten und stattdessen auf Pauline zu warten. Und die hielt Wort: Punkt neun Uhr standen wir auf dem roten Teppich (zum Glück ohne Fotografen) und zeigten unsere Eintrittskarten vor. Drinnen war die Party schon in vollem Gang. Bis zur Preisverleihung war es nur noch eine halbe Stunde. »Ist das aufregend«, flüsterte Paule, die in ihrem kurzen roten Kleidchen ein echter Hingucker war, als wir die ersten Promis entdeckten. Wir hielten beide ein Glas Sekt in der Hand und staunten mit offenen Mündern. Eine Veranstaltung wie die Berlinale hatte mit Sicherheit nicht viel mehr Glamour-Faktor als dieses Festival. Im Gegensatz zu Paule verrenkte ich mir den Kopf nicht nur nach Stars und Sternchen, sondern auch nach einer ganz bestimmten Person, nämlich Daniel. Doch der war weit und breit nicht zu entdecken, genauso wenig wie sein Vater.
»Hey, da bist du ja«, begrüßte Luc mich. Ben stand an seiner Seite. Ich machte die beiden mit Paule bekannt und beobachtete gebannt, wie ein Techniker das Standmikrofon auf der Bühne überprüfte – ein Zeichen dafür, dass es jetzt gleich losgehen würde.
Mein Herz machte ein paar freudige Hüpfer, als Daniel und sein Vater zusammen aufs Podest stiegen und in die Runde blickten. Paule drückte meine Hand und ich atmete tief durch.
Nach einem Willkommensgruß las Daniel die Namen der drei nominierten Stücke und der jeweiligen Regisseure vor. Ich hielt die Luft an, als Lucs Name genannt wurde. »Und der Gewinner des diesjährigen Theaterpreises ist…« Im Publikum war es totenstill.». . . die Dorschungsgruppe für ihre mutige Inszenierung des Bestsellers Feuchtgebiete . Platz zwei geht an Luc Kragenburg für Killing Road und Platz drei…« Der Rest der Ansage ging in Applaus und Jubelrufen unter. Das Gewinnerteam, Luc und Jolanda Stickel, die Drittplatzierte, gingen auf die Bühne, wo Johann Petersen die
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