Cinderellas letztes Date
ihm nachtrauere, wenn er sich mit miesen Tricks von einer anderen bezirzen lässt.“
Ruby stand auf der Straße vor Melanies Apartment und musste erst einmal tief durchatmen. Ihre verstorbene Schwester war ein durchtriebenes Luder gewesen, das andere Mädchen skrupellos austrickste und Jungs das Herz brach.
Ruby fiel es schwer, die zuckersüße Clarissa, die sie kannte, mit der berechnenden anderen in Zusammenhang zu bringen. Und vermutlich würde ihr das auch nie gelingen.
Sie stieg auf ihr Motorrad und setzte den Helm auf. Als Nächstes würde sie Vincent, Andrew und Seth besuchen und über Clarissa aushorchen. Sie ließ den Motor aufheulen und warf einen Kontrollblick über die Schulter. Die Straße war frei. Sie konnte fahren. Doch halt! Sie traute ihren Augen nicht. Ein paar Meter hinter ihrer Suzuki parkte ein dunkelblauer Pontiac G6. Am Steuer saß der attraktive Fremde aus dem „Exil“ – und beobachtete sie.
Sie überlegte, ob sie ihn zur Rede stellen sollte. Erst starrte er sie im Club an, dann tauchte er auf Clarissas Beerdigung auf. Und nun wartete er vor Mels Haustür. Was wollte er? War er ein Stalker? Oder sah sie durch Clarissas dubiosen Tod schon Gespenster und irrte sich?
Ruby würde herausfinden, ob sich ihre Wege aus Zufall kreuzten oder nicht. Wenn der Fremde ihr zum „Exil“ folgte, wo sie hoffte, Andy anzutreffen, war irgendetwas faul mit ihm.
Sie gab Gas und fuhr die Straße hinunter zum Club. Andrew hatte während ihrer gemeinsamen Referatsvorbereitungen erzählt, dass er fast täglich nach der Uni in den Laden ging, um dem Besitzer bei den Vorbereitungen für die Veranstaltungen zu helfen. Denn er jobbte nicht nur als Türsteher, sondern schrieb und verschickte Einladungen und verteilte Flyer. Und manchmal übernahm er sogar die DJ-Buchungen.
Als Ruby an einer roten Ampel halten musste, checkte sie in der Fensterfront eines Matratzen-Ladens, ob der blaue Pontiac ihr hinterherfuhr. Sie drehte sich nicht um, damit ihr potenzieller Verfolger sich in Sicherheit wog, sie habe ihn nicht bemerkt. Anscheinend hatte sie sich geirrt. Kein Pontiac in Sicht. Doch als die Ampel auf Grün umsprang und Ruby losfuhr, sah sie aus dem Augenwinkel das Spiegelbild des G6. Der Fremde mochte gut aussehen, aber ein guter Detektiv war er nicht.
Er folgte ihr durch die halbe Stadt, und selbst als sie den Club bereits erreicht hatte, kurvte sie absichtlich zweimal um den Block, um ihn zu ärgern. Dann parkte sie vor dem „Exil“, stieg ab und lief um das Gebäude herum zum Hintereingang, der zu den Büros führte.
„Ist Andrew da?“, fragte sie den Jungen, der die Tür öffnete und in dem sie einen der Kellner wiedererkannte.
„Und wer will das wissen?“, fragte er zurück.
„Ruby.“
„Dein Name sagt mir nichts. Bist du der DJ, der heute probeweise auflegen soll?“
„Nein, ich bin eine Bekannte von Andrew und muss ihn sprechen.“
„Kann das nicht warten? Er ist zum Arbeiten hier und nicht zum Flirten.“
„Es ist wichtig.“
„Einen Moment.“ Der Kellner machte ihr die Tür vor der Nase zu. Kurz darauf wurde sie von Andrew wieder geöffnet.
„Hi, Ruby! Was machst du denn hier?“ Er lächelte sie etwas irritiert an.
„Ich will nicht lange drum herum reden. Ich weiß, dass du und meine Schwester eine Affäre hattet, und ich möchte alles darüber wissen. Weil ich verstehen will, warum sie … sich umgebracht hat.“ Ruby vermied das Wort „Mord“, um ihn nicht zu verschrecken. Dennoch verschwand das Lächeln aus seinem Gesicht. Er drehte sich um, blickte in den dunklen Club hinter sich, als befürchtete er, jemand könnte sie belauschen. Dann wandte er sich ihr wieder zu und beäugte sie misstrauisch.
„Ich bin nicht schuld, dass sie sich aufgehängt hat“, verteidigte er sich. „Clarissa war meine große Liebe. Ich hätte alles für sie getan. Die zwei Monate mit ihr waren die schönsten in meinem Leben. Ich hätte sie vom Fleck weg geheiratet. Aber als ich ihr das sagte, hat sie mich ausgelacht und als verträumtes Landei bezeichnet. Anscheinend war ich ihr nicht gut genug. Kurz darauf hat sie mich für einen anderen verlassen.“
„Für wen?“
„Für dieses Ar… Seth.“ Er knirschte wütend mit den Zähnen. „Ich hatte sie für intelligenter gehalten. Seth ist ein Idiot und wechselt die Frauen wie seine Unterwäsche. Ich bin treu. Ich habe versucht, sie zurückzugewinnen. Hatte sogar gehofft, du würdest ein gutes Wort für mich bei ihr einlegen.“
„Ich?
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