Cinderellas letztes Date
Ich wusste nicht mal, dass ihr zusammen wart.“ Geschweige denn, dass Clarissa auch noch diverse andere Lover hatte. Aber das sagte sie nicht laut. Sie wollte ihn nicht noch mehr verletzen. Und dass er zutiefst gekränkt war, hörte sie an seiner aufgebrachten Stimme. „Hast du mich deshalb auf der Blue-Marlins-Party als VIP behandelt und vor allen anderen ins ‚Exil‘ gelassen? Damit ich Clarissa von deiner ‚guten Tat‘ erzähle?“
Er nickte. „Schlapper Versuch. Geb ich zu. Aber ich war so verzweifelt. Das kannst du dir nicht vorstellen.“ Er blickte deprimiert zu Boden. „Und nun ist sie tot. Ich kann nichts mehr tun und muss ohne sie leben.“
Er klang so traurig, dass Ruby ihn beinahe in den Arm genommen und getröstet hätte.
„Warum hat sie das getan … sich aufgehängt?“ Andrew musterte Ruby. „Hat Seth damit zu tun?“ Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich, und er ballte die Fäuste.
Ruby schüttelte den Kopf. „Nein“, behauptete sie, obwohl sie jeden von Clarissas Lovern verdächtigte – selbst Andy. Vielleicht zog er einfach nur eine verdammt gute Show als verlassener Liebhaber vor ihr ab. Sie betrachtete seine prallen Oberarmmuskeln, die sich durch den eng anliegenden Pullover abzeichneten. Bei den Muckis konnte er einen Bullen mit bloßer Hand erwürgen. „Kann sein, dass Schul- und Geldprobleme die Auslöser waren.“
„Niemals!“, antwortete Andy prompt. „Sie hatte Geld wie Heu. Euer Dad hat sie mit Barem mehr als genug ausgestattet. Ich hab ihre Platin-Kreditkarte gesehen. Und die Kunstschule erledigte sie mit links. Sie bekam eine Eins nach der anderen. Zumindest zu dem Zeitpunkt, als wir zusammen waren. Ich bin sicher, die Gründe für ihren Freitod musst du woanders suchen.“ Er dachte einen Moment nach. „Sie ist nicht lange mit Seth zusammen gewesen. Ich habe ihn in der Nacht, als die Blue Marlins hier im Club gefeiert haben, nach ihr gefragt. Er war überrascht und misstrauisch, weil ich von ihm und Clarissa wusste. An seiner Reaktion habe ich gemerkt, dass sie ihm nicht von unserer Beziehung erzählt hatte. Ich habe es auch nicht getan, sondern behauptet, ich hätte ihn zufällig mit ihr gesehen und würde mich wundern, dass sie zu der Party seiner Football-Mannschaft nicht auftaucht.“
„Warum hast du ihn überhaupt nach Clarissa gefragt?“
„Ich wollte hören, was sie macht und ob es ihr gut geht. Außerdem habe ich gehofft, dass sie ihn genauso wie mich verlassen hat. Wenn ich sie nicht haben durfte, sollte dieser Blödmann Seth sie auch nicht haben.“ Andy presste die Lippen zusammen und verlor sich in seinen Erinnerungen an seine verlorene Liebe. Dann entspannte er sich wieder. „Jedenfalls war Seth nicht gut auf Clarissa zu sprechen. Er hat mich dumm angemacht und meinte: ‚Clarissa wer?‘ Da war mir klar, sie hat ihm das Herz genauso gebrochen wie mir.“ Er grinste boshaft. „Seth hat es verdient … Sag mal, gab es außer ihm und mir noch andere Typen?“
„Nein“, log Ruby und zwang sich dazu, ihm mit einem unschuldigen Lächeln in seine angstvollen Augen zu blicken.
„Gut.“ Er seufzte erleichtert auf.
Ruby fühlte sich mies und hätte Clarissa am liebsten eine Moralpredigt über den Umgang mit den Gefühlen anderer Menschen gehalten. Wenn das noch möglich gewesen wäre.
„Was haben du und Clarissa als Paar unternommen?“, wollte Ruby wissen.
„Wir waren meist bei mir … haben Musik gehört, über die Uni und meinen Job geredet, geknutscht und miteinander geschlafen. Sie hatte keine Lust auszugehen. Nicht mal ins ‚Exil‘.“
Ruby schwieg. Ganz offensichtlich hielt ihre Schwester ihre Beziehung zu Andrew geheim. Kein Wunder. Wenn sie einen Typen nach dem anderen verführte, musste sie diskret sein. Ashbury war eine kleine Stadt, in der viel getratscht wurde. Clarissa wollte gewiss nicht, dass ihr Ruf ruiniert wurde und ihre Eltern von ihrem Doppelleben erfuhren.
„Weißt du, wofür sie Geld ausgegeben hat?“, erkundigte Ruby sich.
„Sie hat oft Champagner und Kaviar zu unseren DVD-Abenden mitgebracht.“
„Teure Snacks.“
„Allerdings. Das habe ich auch gesagt. Daraufhin hat sie mir ihre Platin-Karte gezeigt.“
„Hat sie dir einen Kosenamen gegeben?“
„Meinst du so was wie Schatz oder Hase?“
„Ja, oder vielleicht einen Comic-Namen. Zum Beispiel Goofy.“
„Goofy?“ Er lachte kurz auf. „Seh ich aus wie ein dünner Volltrottel?“
„Nein“, antwortete Ruby und dachte: Nicht wie ein dünner
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