Cinderellas letztes Date
aber das Abzeichen sah echt aus. Außerdem wollte sie sich keine Blöße geben, indem sie wie ein ängstliches kleines Mädchen vor dem Auto stehen blieb. Sie ging um den Wagen herum und stieg ein.
„Wieso bist du in Zivil? Bist du als verdeckter Ermittler unterwegs?“
„Kann man so sagen.“ Er musterte sie aufmerksam.
Sie erwiderte seinen Blick. Von Nahem sah er noch besser aus als von Weitem auf dem Friedhof oder an dem Abend im „Exil“. Er hatte bernsteinfarbene Augen mit grünen Sprenkeln, deren Leuchten durch den Kontrast mit seinen dunkelbraunen Haaren hervorgehoben wurde.
Ruby konnte sich seiner erotischen Ausstrahlung nicht entziehen. Sie nahm seinen Duft wahr – ein Mix aus herbem Moschus-Aftershave und dem ihm eigenen Geruch –, und ihr Körper reagierte mit einem sehnsuchtsvollen Verlangen. Am liebsten hätte sie sich vorgebeugt und seinen schön geschwungenen Mund geküsst.
Ihr plötzliches Begehren irritierte sie sehr. So hatte sie noch nie für einen Wildfremden empfunden. Eine Hitzewelle erfasste sie, und sie spürte, dass ihr das Blut in die Wangen stieg. Zu ihrer eigenen Rettung ging sie in die Offensive. „Also? Was hast du mir zu sagen?“ Sie warf den Kopf in den Nacken und sah ihn herausfordernd an.
„Wie gesagt, ich bin neu in der Stadt, und Sheriff Warden hat mir als ersten Fall den Selbstmord deiner Schwester übertragen. Freitode kommen in Ashbury selten vor. Und Jack, also Sheriff Warden, meinte, es sei eine gute Übung für mich.“
„Ich habe dich auf Clarissas Beerdigung gesehen. War das auch Teil der Übung ?“ Ruby wusste, dass ihre Schwester für einen Außenstehenden nur irgendeine Person gewesen war. Dennoch empfand sie die Bezeichnung als verletzend.
„Ich wollte dir nicht zu nahe treten. Ich weiß, wie es sich anfühlt, einen geliebten Menschen zu verlieren. Mein Bruder starb mit sechzehn bei einem Verkehrsunfall.“
„Das ist ja schrecklich!“
„Ist es. Und obwohl es viele Jahre zurückliegt, kann ich den Verlust nicht verschmerzen. Von daher tut es mir aufrichtig leid, dass deine Schwester tot ist“, entgegnete er mitfühlend. „Nichtsdestotrotz untersuche ich ihren Fall.“
„Immer noch? Mein Dad meinte, Sheriff Warden habe den Fall zu den Akten gelegt. Gibt es für dich nichts anderes zu tun?“
„Doch, jede Menge. Und nur zu deiner Information: Jack hat den Fall ‚Clarissa Cartwright‘ ad acta gelegt. Ich gehe ihrem Selbstmord inzwischen aus privatem Interesse nach.“
„Wieso?“
„Das könnte ich dich auch fragen.“
„Ist das eine typische Cop-Nummer, Fragen mit Gegenfragen zu beantworten?“ Ruby betrachtete ihn unwillig. „Du versuchst, mich auszuhorchen und gibst selbst nichts preis. Richtig?“
Er nickte. „Du hast mich ertappt.“
„Dann bist du mir aus purer Faulheit hinterhergefahren. Damit ich die Recherche für dich mache.“
Billy Braxton lachte. „Du nennst es Faulheit. Ich nenne es Arbeitsersparnis.“
„So eine Einstellung kann auch nach hinten losgehen“, konterte Ruby. „Denn woher weißt du, dass die Jungs Clarissas Freunde waren und nicht meine sind?“
„Du hast es mir soeben verraten.“ Er lachte über ihren empörten Gesichtsausdruck. „War nur ein Scherz. Also, die Sache verhält sich so … Ich sehe Clarissas Fall anders als Sheriff Warden. Deshalb bleibe ich dran. Dann habe ich dich auf Clarissas Beerdigung beobachtet. Deine Mimik, deine Gestik, dein ganzes Verhalten hinterließen bei mir den Eindruck, dass du den Tod deiner Schwester nicht einfach so hinnimmst. Also habe ich mich an dich rangehängt.“
„Das war nicht zu übersehen“, bemerkte Ruby. „Unbemerktes Beschatten musst du noch üben, sonst hast du den Beruf verfehlt.“
Billy lachte. „Du bist echt frech. Allerdings liegst du falsch. Ich habe gar keinen Hehl daraus gemacht, dass ich dir folge.“
„Und warum hast du mich nicht direkt angesprochen?“
„Hätte ich tun können. Aber ich wollte dich nicht beeinflussen, indem ich dir verrate, dass ich als Polizist an dem Fall dran bin. Ich wollte sehen, was du machst. Natürlich hätte es sein können, dass ich dir zu deinen Freunden oder Studienkollegen folge. Aber so gehetzt, wie du von einem der Typen zum nächsten geeilt bist, war mir schnell klar: Es geht um was anderes. Und für wen solltest du dir so viel Mühe geben wie für Clarissa?“
„Hast du etwa seherische Fähigkeiten, oder was?“ Rubys Tonfall war spitz. Das lag allerdings weniger daran, dass er sie über
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