Cinderellas letztes Date
hätte sie ihn umarmt.
Sie schwiegen und lächelten sich an. Und es schien, als hielten ihre Seelen eine stille Zwiesprache, dass sie ihren verlorenen Zwilling gefunden hatten.
Verlegen sahen sie aus dem Fenster hinaus aufs Meer. Ein orangeroter Sonnenuntergang verzauberte den Abend und ließ die Strandpromenade wie den Weg ins Paradies erstrahlen.
„Wunderschön“, stellte Ruby fest.
„So wie ein mutiges Mädchen auf seiner pfeilschnellen Enduro, das ich kenne.“ Billy zwinkerte ihr zu. Seine Hand lag nahe an ihrer auf dem Tisch, und wie zufällig berührten seine Finger ihre. Die Stelle, an der Ruby Billys Haut spürte, schien in Flammen zu stehen, und das Feuer breitete sich über ihren ganzen Körper aus. Sie zog ihre Hand nicht weg, sondern genoss das Prickeln und die Aufregung. Zusammen betrachteten sie die Sonne, bis sie hinter dem Horizont verschwand.
„Schmeckt Ihnen das Essen nicht?“ Der Kellner trat an ihren Tisch und deutete auf die fast vollen Teller.
„Doch, schon“, erwiderte Billy und zog seine Hand zurück.
„Wir sind noch nicht fertig. Es ist etwas … dazwischengekommen“, sagte Ruby und warf einen Seitenblick auf Billy.
Der Kellner lächelte und meinte: „Ich lasse Ihnen das Essen noch einmal aufwärmen.“ Er nahm die Teller und ging damit in die Küche.
Wieder allein mit Billy, wusste Ruby nicht, was sie sagen sollte. Die romantische Stimmung und der Moment der Vertrautheit waren verflogen. Zumindest schien es Ruby so. Und obwohl sie Billy umwerfend fand, tauchte vor ihrem geistigen Auge Owens verschmitzt lächelndes Gesicht auf.
„Hm …“ Sie räusperte sich. „Ich ruf auf der Heimfahrt meine Eltern an … Aber nicht um einen Streit anzufangen, sondern um nach dem Namen von Clarissas Professor zu fragen. Dann statten wir ihm morgen einen Besuch ab.“
8. KAPITEL
„Professor Quentin?“ Ruby lächelte den Endvierziger, der ihr die Tür zu der eleganten Villa am Stadtrand von Ashbury öffnete, freundlich an.
„So ist es“, entgegnete der Professor charmant lächelnd. „Und Sie sind … auf keinen Fall eine meiner Studentinnen. Ich habe ein phänomenales Gedächtnis für Gesichter, und Sie und Ihren Begleiter kenne ich nicht.“
Das muss Dagobert Duck sein, dachte Ruby. Die Beschreibung des Croupiers passte perfekt: ein attraktiver Mann mittleren Alters, vermögend, mit guten Manieren und offensichtlich allein stehend. Denn auf der Messingplatte neben der Klingel stand nur ein Name: Anthony Quentin.
„Ich bin Ruby und das ist Billy. Ja, wir sind nicht Ihre Studenten, aber meine Schwester hat Ihren Unterricht besucht. Ihr Name lautete Clarissa Cartwright.“
Das Lächeln verschwand schlagartig aus Professor Quentins Gesicht, und er versuchte, ihnen die Tür vor der Nase zuzumachen. Doch Billy stellte geistesgegenwärtig den Fuß dazwischen.
„Was soll das? Geben Sie sofort die Tür frei und verschwinden Sie von meinem Grundstück“, verlangte der Professor aufgeregt.
„Halten Sie die Luft an“, entgegnete Billy und brachte ihn mit gezückter Dienstmarke zum Schweigen. „Wir können die Unterhaltung auch auf dem Revier fortführen.“
„Polizei? Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen“, beteuerte Professor Quentin, gab aber die Tür frei und ließ Ruby und Billy widerwillig eintreten.
Die Villa war teuer eingerichtet. Überall standen Bilder von dem Professor herum. Sie zeigten ihn als Redner auf wichtigen Empfängen oder als Preisträger bei unterschiedlichen Veranstaltungen. Auf dem Tisch lag die aktuelle Ausgabe einer renommierten Kunstzeitung, auf deren Cover sein Konterfei prangte. Nirgends fanden sich Fotos von einer Freundin, einer Exfrau oder gar Kindern.
Ruby dachte unwillkürlich: Es gibt genug Platz, sodass Clarissa hätte einziehen können … und mit einem offen gelebten Liebesverhältnis zwischen Studentin und Lehrer einen Skandal im piefigen Ashbury verursacht hätte.
„Setzen Sie sich. Möchten Sie etwas trinken? Vielleicht Lassi, grünen Tee oder Bio-Milch?“ Der Professor fragte aus Höflichkeit, nicht aus Gastfreundschaft. Seinem Gesicht konnte Ruby den Wunsch ablesen, sie und Billy so schnell wie möglich wieder loszuwerden.
Sie nahm auf dem Sofa Platz. „Nein, danke, ich möchte nichts.“
Auch Billy schüttelte den Kopf und nahm neben ihr Platz.
„Sie haben meine Eltern angerufen, weil Sie sich Sorgen um meine Schwester gemacht haben. Wieso?“ Ruby musterte den Hochschullehrer. Er lehnte mit vor der Brust verschränkten
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