Cinderellas letztes Date
ergreifen sollte? Sie traute sich nicht. Was, wenn er sie abwies? Sie von sich stieß?
Obwohl … am Vorabend im Restaurant in Atlantic City hatte sie die romantische Stimmung verdorben, indem sie plötzlich an Owen gedacht hatte und vor Schreck von einer Sekunde auf die nächste von Clarissas Fall zu sprechen begann. Sie ärgerte sich maßlos über sich selbst. Aber sie hatte sich so verunsichert gefühlt.
Sicherlich hatte sie bei der gestrigen Unterhaltung die Verbundenheit zu Billy gespürt. Aber steckte mehr dahinter als ähnlich enttäuschende Kindheitserlebnisse? Er hatte ihre Hand berührt. Aber das konnte Zufall gewesen sein. Und er hatte ihr ein Kompliment gemacht und sie „das mutige Mädchen“ genannt. Doch was bedeutete das schon? Er bewunderte vielleicht die Hartnäckigkeit, mit der sie die Aufklärung von Clarissas Fall vorantrieb. Oder ihm gefiel, dass sie eine Geländemaschine fuhr.
Vermutlich hielt er sie für einen Kumpel, wie Owen es tat. Noch mal wollte sie kein Kumpel für einen Jungen sein, der ihr gefiel. Sie wollte einen Freund. Einen Mann, der zu ihr gehörte. Sie wollte einen Liebhaber und leidenschaftlichen Sex.
Sie musste wissen, wo sie mit Billy dran war. Ob er sie aus Nettigkeit im Arm hielt, oder ob da mehr war. Sie hob den Kopf und sah ihm in die Augen.
Er erwiderte ihren Blick und sah sie zärtlich und sehnsuchtsvoll an. Ganz so, als habe er ähnliche Gedanken verfolgt wie sie. Er betrachtete ihren Mund und lächelte.
Gleich küsst er mich, dachte sie erwartungsvoll. Er empfindet also mehr für mich als Freundschaft und Sympathie … Sie reckte ihm ihren Mund entgegen.
Da klingelte ihr Handy. Der eindringliche Ton zerriss die Stille in Billys Wohnzimmer und brachte sie jäh in die Realität zurück.
„Willst du nicht rangehen?“ Billy ließ sie los und setzte sich auf dem Sofa zurück. Er wirkte ernüchtert.
Benommen rappelte Ruby sich auf und suchte in ihrer Tasche nach dem Handy. „Hallo?“, nahm sie den Anruf entgegen. „Owen! Was für eine Überraschung …“
Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte sie sich über seinen Anruf gefreut. Doch nun ärgerte sie sich. All die Jahre hörte sie nichts von ihm, war sie Luft für ihn gewesen. Und ausgerechnet jetzt, als sie das erste Mal Interesse an einem anderen Mann zeigte, meldete er sich. Sie hatte keine Lust, dass er ihr Leben wieder auf den Kopf stellte.
„Hast du heute Abend Zeit?“, fragte Owen.
„Worum geht es denn? Clarissa?“
„Nein. Ich dachte, wir unternehmen was. Nachdem wir im Café darüber gesprochen hatten, uns zu treffen, wollte ich nicht so viel Zeit verstreichen lassen. Aber wenn du schon was vorhast …“
Ruby blickte Billy nach, der zu seinem Schreibtisch ging und seinen PC anschaltete. Er gab sich redlich Mühe, uninteressiert an ihrem Gespräch mit Owen zu wirken. Aber Ruby konnte die Anspannung an seiner Körperhaltung erkennen. Zudem beobachtete er sie im reflektierenden Glas des Computerbildschirms. Checkte er ihre Reaktion auf Owens Anruf? Ahnte er, seit ihrem Verlegenheitsanfall vor dem „Bean & Leaf“, dass der Sohn des Bürgermeisters ihr viel bedeutete und für ihn potenzielle Konkurrenz darstellte? Er hatte vor dem Laden bereits eine spöttische Bemerkung in der Richtung gemacht.
„Also, wenn du schon verabredet bist, können wir uns ein anderes Mal treffen“, wiederholte Owen, als sie nicht antwortete. „Ich rufe auch wirklich ein bisschen kurzfristig an.“
„Triff dich mit ihm“, raunte Billy ihr zu. „Vielleicht hat er eine Ahnung, wer Clarissas väterlicher Verehrer ist oder der junge Typ, der ihr im Casino eine Szene gemacht hat. Und beobachte seine Reaktion, wenn du ihn darauf ansprichst.“
Ruby starrte Billy irritiert an. Hatte er gehört, was Owen gesagt hatte? Trieb er sie ihrem früheren Schwarm absichtlich in die Arme, um zu sehen, ob sie schwach wurde? Oder bat er sie aus rein ermittlungstechnischen Gründen, mit ihm auszugehen? Aber warum studierte er dann so aufmerksam ihre Mimik und Gestik während ihres Telefonats?
„Ruby? Bist du noch dran?“
„Ja, entschuldige, Owen“, murmelte sie verwirrt. „Pass auf … ähm … spontane Verabredungen finde ich gut. Wo willst du dich denn heute Abend mit mir treffen?“
„Ich kenne ein schönes französisches Restaurant. Das ‚Chapeau‘. Sagt dir das was?“
„Nein.“
„Umso besser. Dann wird dich der Laden umhauen. Das Essen ist großartig. Ich hole dich ab. Du wohnst im Studentenwohnheim,
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