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Circulus Finalis - Der letzte Kreis

Circulus Finalis - Der letzte Kreis

Titel: Circulus Finalis - Der letzte Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tarek Siddiqui
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eine besondere Stimmung zu spüren. Die Karnevalserwartung vermischte sich mit den steigenden Temperaturen, außerdem war Weiberfastnacht, der Tag, an dem die Frauen krawattenkürzend und Bützchen verteilend ausschwärmten. Schon jetzt, am späten Vormittag, waren einige von ihnen unterwegs, strömten etwas lieblos verkleidet eiligen Schrittes den Zentren der Heiterkeit zu, ohne mir dabei Aufmerksamkeit zu schenken.
    Als ich in die Straß e einbog, in der Fellenbecks Friseurladen lag, bot sich ein Anblick, der gleichermaßen vertraut wie unerwartet war. Halb auf dem Gehsteig parkte unser Rettungswagen, das Führerhaus leer. Für einen Augenblick war ich verwirrt. Wir hielten für den eigenen Bedarf vor Pizzerien, Eisdielen, Wäschereien, nicht aber vor Friseurgeschäften; außerdem drehten sich die Spiegel des Blaulichts in rascher Rotation, was ein rhythmisches, trockenes Klicken mit sich brachte. Für einen Augenblick dachte ich, ich hätte etwas verpasst, vielleicht meinen Dienst. Dann öffnete ich die Tür, schob den schweren Samtvorhang beiseite, und betrat Fellenbecks Welt.
    Die war zu meiner Ü berraschung ruhig wie eh und je, doch trotzdem aus dem Tritt gekommen. Tann saß auf dem dunkelbraunen Kunstledersessel, auf dem ich so oft Platz genommen hatte, und besah sich, eine Hand an der Schläfe, nachdenklich im Spiegel. Der Ort inspirierte jeden zur Selbstbesinnung, selbst ihn. Über dem Spiegel hingen einige Luftschlangen als minimalistische Karnevalsdekoration. Auf dem Boden lag starren Blickes der Friseur, Härting neben ihm auf Knien, und ich dachte noch, Härting mit seiner Hubschraubererfahrung wird das schon machen, aber dann wurde mir klar, dass die Entscheidung gefallen war, das Spiel vorbei, nie wieder würden diese Hände die Schere führen, und vermutlich würde hier bald ein Zwanzigjähriger eine Videothek oder ein Computerladen einziehen und kleine, bunte Zettel mit Eröffnungsangeboten unter Scheibenwischer klemmen.
    Tann hatte seine Innenschau beendet. Mit ei nem schmierenden, blauen Kugelschreiber füllte er den Fahrtbericht aus. Härting ging zum Funkgerät, um für uns kein Einsatz zu melden, die Formel für einen Todesfall. Für mich war das Ganze abstoßend, diese Routine, der auch ich verpflichtet war. Ich dachte an Fellenbecks Frau, von der ich nie mehr erfahren hatte, als dass es sie gab. Vermutlich würde die Polizei ihr die Nachricht überbringen. Fellenbeck, der den Eindruck vermittelt hatte, den Zustand der Welt zu kennen, und der trotzdem eine beständige Zuversicht ausstrahlte, wie ein Arzt angesichts unvermeidlicher Kinderkrankheiten, lag nun, seiner Magie beraubt, da; nicht mehr als ein etwas zu umfangreicher Körper mit zu kurz geratenen Gliedmaßen. Nichts deutete mehr auf den Mann hin, der ohne viele Worte so viel hatte sagen können, und ich fürchtete mich davor, zu hören, er habe am Ende nichts Brauchbares mehr von sich gegeben .
    „ Was machst du eigentlich hier?“ Härting sah mich aufmerksam an.
    „ Spazierengehen. Der Park.“ Ich hatte keine Ahnung, woher die Lüge kam, ein kleiner Verrat an Fellenbeck. Dann nickte ich den beiden zu und trat hinaus in die Vorfrühlingsluft, ging tatsächlich weiter in Richtung Park, wo kahle Bäume scharfe Schatten warfen, setzte einen Fuß vor den anderen, so schnell es mir möglich war, und kam doch nur langsam voran, als müsse ich mich, bis zum Hals im Wasser stehend, gegen eine gleichmütige Strömung vorwärts kämpfen.

29
    Vom Rest des Tages weiß ich nicht mehr viel, irgendetwas aß ich im Vorbeigehen, war dann mehr als zwei Stunden unterwegs zu Fuß nach Hause zurück, schnellen Schrittes vorbei an immer mehr Lustigkeit, und fürchtete doch das Ankommen. In der Nacht schlief ich merkwürdigerweise tief und träumte von Fellenbeck, der auf der Bühne eines magischen Theaters vor einem schweren Samtvorhang stand und auf quälende Weise in stetiger Wiederholung eine Nummer ankündigte, die nie präsentiert wurde.
    Der nä chste Tag verging unangemessen langsam, nur in Zeitlupe rückte die nackte Sonne am wolkenlosen Himmel vor. Trotz der alkoholgeschwängerten Karnevalsatmosphäre mit ihren vorhersagbaren Einsatzmustern erwog ich einen Anruf auf der Wache, um zu fragen, ob einer der Kollegen dienstmüde war und ich für ihn einspringen sollte, fürchtete aber Fragen, die ich nicht beantworten wollte. So floh ich in die Distanz und sagte mir, was ist schon passiert? Dein Friseur ist gestorben. Traurig, sicher.

    Als am

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