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Circulus Finalis - Der letzte Kreis

Circulus Finalis - Der letzte Kreis

Titel: Circulus Finalis - Der letzte Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tarek Siddiqui
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Belanglosigkeiten. Zu meiner Überraschung meldete sie sich gleich, und im Hintergrund war es völlig ruhig.
    „ Hallo?“
    „ Ich bin’s.“
    Sie brauchte einen Moment; entweder, um sich von ihrer Ü berraschung zu erholen, oder, weil sie mich nicht gleich erkannt hatte.
    „ Schön, dass du anrufst.“
    Das war keine sel bstverständliche Äußerung. Normalerweise schienen mir meine seltenen Anrufe eher unerwünschte Unterbrechungen des produktiven Kleinfamilienalltags zu bedeuten. Ich fragte, ob alles in Ordnung sei.
    „ Ich weiß nicht. Wir haben uns gestritten. Schlimmer als sonst.“
    Mir war gar nicht klar gewesen, dass sie sich ü berhaupt stritten. Des Öfteren sogar, ihren Worten nach.
    Als wir wieder aufgelegt hatten, blieb ich verwirrt zurü ck. Trotz der enttäuschten Hoffnung auf irgendeine Hilfe von ihr, die sonst keine Zweifel und Unwägbarkeiten zu kennen schien, war es ein gutes Gefühl, angerufen zu haben. Mit einer gewissen Unruhe stellte ich fest, dass in der Zwischenzeit allerdings eine halbe Stunde vergangen war.
    Ich hatte das Kabel noch nicht wieder aus der Anschlussdose gezogen, und das Telefon läutete wieder. Mit einer gewissen Selbstverständlichkeit nahm ich an, dass es unserem Gespräch vielleicht noch etwas hinzuzufügen galt, und obwohl ihr Mann mir unverändert unsympathisch war, freute mich die Vorstellung, er sei vielleicht gerade mit dem prächtigsten Blumenstrauß seit Beginn ihrer Ehe zur Tür hereingekommen. Ich hob ab.
    „ Ja?“
    „ Metz hier. Ich rufe wegen der Zeichnung an. Du hast sie mitgenommen.“
    Kurz erwog ich die Mö glichkeit, zu leugnen; immerhin war der Wachraum kein Hochsicherheitstrakt. Aber es war klar, dass er mir nicht glauben würde. Eine gewisse Spannung lag in seiner Stimme, und ich hatte die Befürchtung, dass schon die kurze Verzögerung meiner Antwort ihm mehr verraten würde, als mir lieb sein konnte.
    „ Ja, hab’ ich. Ich wollte sie mir noch mal in Ruhe ansehen.“
    Ich hö rte ihn atmen. Dann:
    „ Gut, ich komme vorbei und hole sie ab. Wir brauchen sie.“
    „ Aber ihr habt doch noch mehr Kopien?“
    „ Ich komme schnell vorbei. Wenn es dir recht ist.“
    Meine Suche nach Ausflü chten wurde von einem trockenen Klicken unterbrochen. Er hatte aufgelegt.
    Ich atmete durch.
    Es war mehr als deutlich: Er sah mich nicht mehr als Mitglied seines Clubs. Was das konkret bedeutete, blieb unklar. Vielleicht sollte ich ihm einfach die Kopie geben, und dann schlafen gehen. Aber damit wäre die Möglichkeit verloren, das Rätsel zu lösen und vielleicht doch noch zu kontrollieren, was ich erschaffen hatte. Ich wollte mich ihnen und ihren Überzeugungen nicht ausliefern. Und da war noch etwas: Ich dachte wieder an Schlager und verspürte Sorge, die sich zu Angst verdichtete.
    Meine Bemü hungen, einen Plan zu machen, waren noch nicht sehr weit fortgeschritten; ich verfluchte die körperliche Schwäche, die es mir in der Nacht schwer gemacht hatte, einen klaren Gedanken zu fassen. Alles, was ich sicher wusste, war, dass mir nicht viel mehr als zehn Minuten Zeit blieben. Und dass ich mir keinen Fehler erlauben konnte. Ein Blick auf die Uhr: siebzehn Minuten nach elf. Ich griff nach meiner Geldbörse, einem schmalen Taschenbuch und den Zeichnungen, die ich zusammenrollte und in die Innentasche meiner Jacke steckte.
    Dann verließ ich die Wohnung.

34
    Der Himmel hatte sich mit einer hohen Bewölkung überzogen, durch die hindurch ein diffuses, alle Schatten ausbleichendes Licht fiel. Der Wind war stärker geworden, und eine Böe drückte gegen die breite Eingangstür und riss sie mir fast aus der Hand. Blätter vom längst vergangenen Herbst wirbelten über die Straße.
    Ich hatte eine lange nicht mehr v erwendete Jacke angezogen und trug eine kaum benutzte Baseballkappe auf dem Kopf, die das Wiedererkennen erschweren sollte; dazu meine sportlichsten und bequemsten Schuhe, um so beweglich wie möglich zu sein. Als erwarte ich eine Abholung, schweifte mein Blick die Straße hinauf und hinab, aber es gab nichts Ungewöhnliches zu entdecken. Mit schnellen Schritten steuerte ich die nächste Telefonzelle an, warf eine Münze ein, und wählte die Nummer von Timo Knopp.
    Timo war Mitte oder vielleicht auch schon Ende zw anzig, sah aber aus wie achtzehneinhalb mit seiner dürren, etwas kurzen Gestalt, den roten Haaren im Langschläfer-Styling und der selbst für sein schmales Gesicht noch etwas zu kleinen Nickelbrille. Er war ehrenamtlich tätig und hatte eine

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