Circus
und das wahrscheinlich nur durch winzige Öffnungen. Aber Luken müßten eigentlich da sein. Wie sollten die Posten sonst auf ihre Wachttürme kommen oder die Elektriker den Zaun reparieren, falls es einmal nötig sein sollte? Ich glaube kaum, daß sie siebenundzwanzig Meter auf senkrechten Leitern nach oben klettern, die an einer Innenwand verankert sind. Wissen Sie, ob es in der ›Lubylan‹ Aufzüge gibt?«
»Ja, das weiß ich. Es gibt in jedem Gebäude ein Treppenhaus, das vom Erdgeschoß bis ganz oben reicht, und auf beiden Seiten der Treppenhäuser sind zwei Aufzüge.«
»Wahrscheinlich versorgen die Lifts den neunten Stock genauso wie alle übrigen Etagen. Das bedeutet, daß das oberste Stück der Aufzüge, wo der Zugmechanismus für die Trossen ist, über das Dach hinausragen muß. Und dort könnte sich eine Möglichkeit bieten, in die Festung hineinzukommen.«
»Es könnte Ihnen auch die Möglichkeit bieten, zerquetscht zu werden, wenn Sie gerade dann in dem Schacht hinunterklettern, wenn ein Lift heraufkommt. Das ist schon erstaunlich oft Mechanikern passiert, die oben auf einem Lift standen, um ihn zu reparieren.«
»Das ist das Risiko bei der Sache. Über ein vereistes, mit zweitausend Volt geladenes Kabel zu balancieren – wir müssen schließlich das Schlimmste annehmen – ist ja wohl auch ein wenig riskant, oder? Was ist im achten Stock? Auch Labors?«
»Seltsamerweise nein. Der achte Stock gehört zum Ostgebäude – der Haftanstalt. Die oberen Gefängnisaufseher und die Leute von der Gefängnisverwaltung schlafen dort – vielleicht können Sie die Schreie nicht ertragen, vielleicht wollen sie aber auch nur nicht in der Nähe sein, wenn es den Versuchskaninchen einmal gelingen sollte, aus ihren Zellen freizukommen. Ich weiß es nicht. Jedenfalls befindet sich die gesamte Verwaltung von beiden Gebäuden in diesem Stockwerk. Außer den Schlaf- und Eßräumen der Wächter gibt es im Gefängnisblock nur Zellen. Abgesehen von ein paar Räumen im Keller, die irreführenderweise als ›Befragungsräume‹ bezeichnet werden.«
Bruno sah ihn nachdenklich an. »Wäre es unpassend, Sie zu fragen, woher Sie all diese detaillierten Informationen haben? Man würde doch eigentlich annehmen, daß kein Fremder den Fuß über die Schwelle dieser Festung setzen darf und keine der Wachen jemals den Mund aufmacht.«
»Nein, nein, fragen Sie nur. Wir haben, wie man so schön sagt, ›unseren Mann‹ in Crau. Keinen Amerikaner, einen ›Eingeborenen‹. Er war vor etwa fünfzehn Jahren wegen eines harmlosen Protestes gegen die Politik des Landes in der ›Lubylan‹ inhaftiert, wurde nach einigen Jahren Kalfakter und durfte sich in dem ganzen Gebäude frei bewegen. Seine bevorzugte Stellung minderte allerdings nicht im geringsten seinen Haß gegen das Regime seines Landes im allgemeinen und gegen die ›Lubylan‹ und alle, die dort arbeiteten, im besonderen. Er fiel uns in den Schoß wie ein überreifer Apfel vom Baum. Er trinkt immer noch mit den Wachen und Gefängnisaufsehern von der ›Lubylan‹ und schafft es auf diese oder jene Weise immer wieder, uns über die Vorgänge dort drin auf dem laufenden zu halten. Er ist schon vor vier Jahren entlassen worden, aber für die Wachen ist er nach wie vor der Kalfakter, und sie sprechen offen über alles mit ihm – vor allem, wenn er sie mit Wodka versorgt.«
»Was für ein schmutziges Geschäft.«
»Tja, der Glamouraspekt existiert nur in der Fantasie der Leute, die nicht dazugehören.«
»Das Problem des Einsteigens in die Festung besteht nach wie vor. Vielleicht gibt es eine ganz einfache Lösung. Aber wenn, dann muß sie mir noch einfallen. Haben Sie Maria eingeweiht?«
»Nein, dazu ist noch viel Zeit. Je weniger Leute etwas wissen …«
»Ich würde gern heute abend mit ihr sprechen. Kann ich das?«
Harper lächelte. »Sie meinen, drei Leuten fällt vielleicht eher etwas ein als zweien? Das ist nicht gerade ein Kompliment für mich.«
»Ich wollte Sie nicht kränken. Ich kann es mir nur nicht leisten, Sie zu sehr in meine Pläne einzubeziehen. Sie sind der Koordinator und der einzige Mensch, der wirklich weiß, was vorgeht – ich glaube immer noch nicht, daß Sie mir alles gesagt haben, was ich wissen müßte, aber es scheint mir jetzt nicht mehr so wichtig. Außerdem habe ich der jungen Dame eifrigst den Hof gemacht – obwohl es sozusagen auf Befehl geschah, muß ich gestehen, daß ich diesen Teil des Auftrags ausgesprochen gern ausgeführt
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