Circus
habe –, und die Leute sind inzwischen daran gewöhnt, uns zusammen zu sehen.«
Harper lächelte. »Sie sind auch daran gewöhnt, Henry um sie herumscharwenzeln zu sehen.«
»Wenn wir auf unserer Europatournee an einen geeigneten Ort kommen, werde ich ihn zum Duell fordern – die Atmosphäre muß schon stimmen. Ich brauche Marias Ideen nicht. Alles, was ich von ihr will, ist ihre Mitarbeit. Und es hat keinen Sinn, weiter mit Ihnen zu beratschlagen, bevor ich mich dieser versichert habe.«
»In Ordnung. Wann?«
»Nach dem Abendessen.«
»Wo? Hier?«
»Nein, nicht hier. Es ist durchaus in Ordnung, wenn mein Arzt hierher kommt und sich um eines der wertvollsten Besitztümer des Circus kümmert. Aber wie Sie sagen – und wie man aus Carters Vorsichtsmaßnahmen ersehen konnte – besteht durchaus die Möglichkeit, daß jemand ein sehr mißtrauisches Auge oder besser gesagt Ohr auf mich hat. Und ich möchte nicht, daß dieser Jemand sein Interesse auf Maria ausdehnt.«
»Dann schlage ich vor, Sie treffen sich in ihrer Kabine.«
Bruno dachte kurz nach und nickte dann: »Ja, das ist gut.«
Vor dem Abendessen ging Bruno in die Bar, fand Maria an einem kleinen Ecktisch, setzte sich zu ihr und bestellte sich einen alkoholfreien Drink.
»Dieser Anblick ist unerträglich«, sagte er, »und unglaublich: Maria Hopkins sitzt allein an einem Tisch.«
»Und wer ist daran schuld?« fragte sie vorwurfsvoll.
»Doch nicht etwa ich?«
»Ich komme mir völlig idiotisch vor: Es gibt ganze Scharen von netten Männern auf diesem Schiff, die mir gern einen Drink spendieren und sich mit mir unterhalten würden. Aber nein, ich schlage alle in die Flucht. Es könnte ja sein, daß der große Bruno plötzlich auftaucht und nach meiner Gesellschaft verlangt.« Sie starrte wütend vor sich hin. »Oder Henry. Der ist genauso schlimm. Er ist nicht nur der Liebling seines Onkels – und sein Onkel ist hier immerhin wo etwas wie der Große Weiße Vater –, er entwickelt auch eine unerfreuliche Neigung, etwaige Gesprächspartner mit schreckenerregender Miene in die Flucht zu schlagen. Der einzige, der sich überhaupt nicht um das alles schert, ist Kan Dahn. Wissen Sie, daß er mich als Ihre Herzdame bezeichnet?«
»Und sind Sie das?«
Sie antwortete nicht.
»Keine Antwort ist auch eine. Darf man erfahren, wer heute abend mein Rivale um die Gunst meiner Herzdame ist? Ich habe gerade erst mit Dr. Harper darüber gesprochen: Henry und ich werden uns duellieren, sobald wir die Karpaten erreicht haben. Sie sollten unbedingt zuschauen. Schließlich sind Sie ja der Anlaß.«
»Ach, hören Sie doch auf.« Sie schaute ihn lange an, lächelte dann wider Willen und legte eine Hand auf seine. »Wie heißt das männliche Pendant zu ›Herzdame‹?«
»Als Kartenspieler weiß ich das zwar, aber ich glaube nicht, daß mir diese Bezeichnung gefällt. Wo ist Henry?«
»Er wandelt auf Sherlock Holmes' Pfaden.« Unwillkürlich senkte sie die Stimme. »Ich glaube, er beobachtet irgend jemanden. Henry hat in den letzten zwei Tagen sehr viel Zeit damit verbracht, jemanden zu verfolgen, von dem er behauptet, daß er mich verfolge.«
Überraschenderweise reagierte Bruno nicht im geringsten belustigt auf diese Eröffnung. Statt dessen fragte er streng: »Warum haben Sie mir das nicht schon früher erzählt?«
»Ich hielt es nicht für wichtig. Ich habe die Sache überhaupt nicht ernstgenommen.«
»Sie haben sie nicht ernstgenommen? Und wie ist es jetzt ?«
»Ich weiß nicht.«
»Warum könnte jemand Interesse daran haben, Ihnen nachzuschleichen?«
»Wenn ich es wüßte, würde ich es Ihnen sagen.«
»Würden Sie das wirklich?«
»Ach, lassen Sie das doch!«
»Haben Sie es Dr. Harper erzählt?«
»Nein. Es gibt ja gar nichts zu erzählen. Ich lasse mich nicht gern auslachen. Ich glaube, Dr. Harper hat sowieso einige Vorbehalte gegen mich. Und ich möchte nicht, daß er mich für eine noch größere Niete hält als er es ohnehin schon tut.«
»Hat dieser mysteriöse Schatten einen Namen?«
»Ja: Wherry. Er ist Kabinensteward. Ein kleiner Mann mit einem schmalen Gesicht, schmalen Augen und einem dünnen, schwarzen Bärtchen.«
»Den habe ich schon gesehen. Ist er für Ihre Kabine zuständig?«
»Nein, für Mr. Wrinfields.«
Bruno dachte einen Augenblick nach und schien dann das Interesse an der Sache zu verlieren. Jedenfalls wechselte er das Thema, indem er sein Glas hob und sagte: »Ich möchte nach dem Abendessen gern mit Ihnen sprechen.
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