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Circus

Circus

Titel: Circus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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waren, wischte Dr. Harper das beschlagene Fenster auf seiner Seite ab, spähte hinaus und tippte Bruno auf den Arm.
    »So etwas habe ich noch nie gesehen. Was in aller Welt ist das?«
    »Was meinen Sie? Ich kann von hier aus nichts sehen.«
    »Oben auf den Häusern. Büsche, Bäumchen – guter Gott, da oben wachsen ja sogar richtige Bäume!«
    »Das sind Dachgärten. In Mitteleuropa durchaus keine Seltenheit. Daß man in einer Etagenwohnung wohnt, muß hierzulande nicht heißen, daß man nicht auch gleichzeitig einen Garten haben kann. Viele von den Leuten haben sogar Wiesen auf den Dächern.« Bruno putzte das Fenster auf seiner Seite ebenfalls ab. Das Gebäude, das links von ihm lag, war häßlich und kahl. Er zählte die Stockwerke: Es waren neun. Er sah sich die Fenster an: Jedes einzelne war mit schweren Gittern versehen. Er betrachtete die drohenden Stahlspitzen, die das Dach säumten, und die Wachttürme an der Nord- und Südecke. Von seinem Platz aus war es Bruno nicht möglich zu sehen, was sich auf den Dächern dieser Türme befand, aber Bruno wußte, daß dort oben Suchscheinwerfer und Sirenen installiert waren. Er warf Dr. Harper einen Blick zu und hob eine Augenbraue. Der Fahrer hatte lächelnd die Schultern gezuckt, als er auf englisch angesprochen worden war, aber die Chance, daß er einer von Sergius' Männern war, war sehr groß, und Sergius hätte niemals einen Mann für diesen Job ausgesucht, der nicht Englisch konnte. Harper fing Brunos Blick auf und nickte, obwohl die Bestätigung eigentlich überflüssig war – die ›Lubylan‹ entsprach nur allzu genau Harpers Beschreibung.
    Etwa eine Viertelstunde weiter kamen sie an einer Reihe einheitlich schwarzer Wagen vorbei, die hintereinander am rechten Straßenrand geparkt waren. Der erste von ihnen war ein kranzgeschmückter Leichenwagen. Der Trauerzug mußte einen ganz schön weiten Weg vor sich haben, wenn er jetzt schon im Aufbruch war, dachte Bruno, denn immerhin war es noch sehr früh am Tage. Auf der anderen Straßenseite befand sich ein Geschäft, dessen Schaufenster mit schwarzem Samt ausgeschlagen waren, der den Rahmen für die Auswahl von Kränzen, Blumenbuketts unter Glasstürzen und noch ungravierten ausnahmslos schwarzen Marmorgrabsteinen bildete, die der Besitzer des Ladens offensichtlich für seine gelungensten hielt. Die angrenzende Tür war ebenfalls schwarz gestrichen, jedoch wurde die triste Farbe hier durch ein weißes Kreuz etwas aufgelockert. Bruno sah aus dem Augenwinkel im Vorbeifahren, wie die Tür sich öffnete und das Ende eines Sarges auf den Schultern zweier Träger in der Öffnung sichtbar wurde.
    »Wie angebracht«, murmelte Bruno.
    Dr. Harper schien ihn nicht gehört zu haben.
    Der ›Winterpalast‹ war Craus ganzer Stolz, und das zu Recht. Obwohl er im Barockstil prunkte, war er erst drei Jahre alt. Das Gebäude war eine Konstruktion aus Stahlbeton und sowohl außen als auch innen mit unechtem weißen Marmor ausgekleidet, was vermutlich den Anstoß für den Namen des Bauwerkes gegeben hatte. Das Gebäude selbst bestand aus einem riesigen ovalen, überdachten Vorhof, der in das noch viel größere, ebenfalls ovale Stadion überging. Das Innere hätte keinen größeren Kontrast zu all den Schnörkeln, Minaretten und Wasserspeiern bilden können, die das Äußere in so verschwenderischer Weise schmückten – hier waren alle neuesten Ideen zur Präsentation eines Spektakels zusammengekommen, so daß alles fast übertrieben modern, funktionell und vor allem beliebig verwandelbar war. Die Abwandlungsmöglichkeiten der Bühne und Sitzplätze zum jeweils besten für Künstler und Publikum waren praktisch unbegrenzt. Die Halle wurde für Opernaufführungen benutzt, als Theater, als Kino und als Konzertsaal. Außerdem fanden in ihr Sportveranstaltungen von Eishockey bis zu Hallentennisturnieren statt. Und für die Zwecke eines Circus war das Amphitheater schlichtweg ideal geeignet. Äußerstenfalls hatten auf den gepolsterten und mit Armlehnen versehenen Sitzen nicht weniger als achtzehntausend Zuschauer Platz. Wrinfield erklärte, es sei die schönste Halle, die er je gesehen habe, und das war kein schlechtes Kompliment, wenn man bedachte, daß es von einem Mann kam, der die besten in Nordamerika und Europa gesehen hatte. Und die Halle war um so erstaunlicher, wenn man wußte, daß Crau nur knapp eine Viertelmillion Einwohner hatte.
    Die Abnahme der Fingerabdrücke des gesamten Circusstabes fand im Laufe des Vormittags

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