Circus
sein Körper den Boden berührte. Bruno nahm eine der diversen Waffen, die in einem Regal lagen, und richtete ihre Mündung auf die drei schlafenden Männer. Er würde die Waffe zwar nur im äußersten Notfall benutzen, aber das wußten die drei ja schließlich nicht, und wenn ein Mann gerade aus dem Tiefschlaf auftauchte, dann ist er kaum in der Stimmung, sich mit einer Schmeisser-Maschinenpistole anzulegen. Aber die drei wachten noch nicht einmal auf, als Kan Dahn den Riegel zurückschob, der die Falltür verschlossen hatte, um Roebuck – und seine beiden Segeltuchsäcke – in den Wachraum zu lassen. Bruno nahm seinen Gas-Kugelschreiber und näherte sich den drei Männern, dicht gefolgt von Roebuck, der ein langes Seil in der Hand hielt.
Als sie den Raum verließen, waren die vier Wachtposten sicher verschnürt und mittels Klebeband mundtot gemacht, und drei von ihnen schliefen sogar noch fester als vorher. Bruno schob wieder den Riegel vor die Falltür, was eine wahrscheinlich unnötige Vorsichtsmaßnahme war, schloß den Wachraum hinter sich ab und zog den Schlüssel aus dem Schloß. »So weit, so gut«, meinte er und wog die Waffe in der Hand, die er sich ausgeliehen hatte. »Besuchen wir Van Diemen.«
Kan Dahn blieb mitten im Flur stehen und sah seinen Freund verwirrt an: »Van Diemen? Warum müssen wir uns zuerst um ihn kümmern – wenn überhaupt? Du weißt, wo die Büros und die Laboratorien liegen. Warum gehen wir nicht gleich dorthin, suchen die Papiere, die du holen sollst – du wirst sie doch wohl erkennen, wenn du sie vor dir hast …«
»Ich werde sie erkennen.«
»… und stehlen uns heimlich wieder davon? Wie die Araber, weißt du. Ich mag's, wenn eine Sache glatt und lautlos über die Bühne geht.«
Bruno sah ihn ungläubig an. »Wenn es nach dir ginge, würdest du doch jedem einzelnen in der ›Lubylan‹ den Schädel spalten. Ich kann dir vier Gründe dafür nennen, warum wir es nicht so machen, wie du möchtest, und dann will ich keine Diskussion mehr – der Schichtwechsel der Wachtposten kann jeden Augenblick fällig sein. Die Zeit arbeitet gegen uns.«
»Die Ablösung liegt tief schlafend im Wachraum.«
»Vielleicht ist das gar nicht die Ablösung. Vielleicht müssen die Wachen beim Wechsel irgendwem Bericht erstatten. Vielleicht gibt es auch jemanden, der eine Routineinspektion macht. Ich weiß es nicht. Aber jetzt zu den Gründen; Grund eins: Was wir suchen, ist vielleicht in Van Diemens Privaträumen zu finden. Grund zwei: Wir können ihn vielleicht überreden, uns zu verraten, wo die Papiere sind. Grund drei: Wenn die Aktenschränke abgeschlossen sind – und es wäre höchst erstaunlich, wenn sie es nicht wären –, machen wir vielleicht eine Menge Lärm, wenn wir sie gewaltsam öffnen, und sie befinden sich in dem Zimmer, das direkt neben seinen Räumen liegt. Aber Grund vier ist der wichtigste, und auf den hättet ihr auch von selbst kommen können.« An ihren Gesichtern war deutlich zu erkennen, daß sie auch jetzt nicht wußten, worauf er hinauswollte, geschweige denn, schon vorher daraufgekommen waren. »Ich nehme ihn mit in die Staaten.«
»Mit in die Staaten …« Roebuck starrte ihn fassungslos an. »Die Sache war zuviel für dich. Du bist nicht mehr ganz bei Trost.«
»Ach nein? Was hat es denn für einen Sinn, die Papiere mitzunehmen und ihn hierzulassen? Er ist der einzige Mensch auf der Welt, der diese verdammte Formel oder was immer es sein mag, kennt, und wenn wir sie ihm wegnehmen, dann setzt er sich eben hin und schreibt sie neu.«
Roebuck sagte zerknirscht: »Weißt du, daß mir dieser Gedanke überhaupt noch nie gekommen ist?«
»Er scheint auch einer Menge anderer Leute noch nicht gekommen zu sein. Ausgesprochen seltsam, was? Wie dem auch sei, ich glaube, man wird in den Staaten schon eine hübsche, angemessene Aufgabe für ihn haben.«
»Wie zum Beispiel die Aufsicht über die Entwicklung dieser verdammten Antimateriebombe?«
»Nach dem zu urteilen, was ich über Van Diemen weiß, würde er eher sterben. Er ist ein Abtrünniger, das wißt ihr ja. Er muß schwerwiegende politische und ideologische Gründe gehabt haben, daß er von Westdeutschland hierher gekommen ist. Er würde niemals mit dem Westen zusammenarbeiten.«
»Aber du kannst das nicht tun«, wandte Kan Dahn ein. »Kidnapping ist ein Verbrechen.«
»Das ist richtig. Aber es ist immer noch besser als zu sterben, oder? Was empfiehlst du mir? Soll ich ihn auf die Bibel – oder
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