Circus
ermutigte Bruno ihn, »vielleicht wird es noch spannend.«
Sie gingen in den achten Stock hinunter. Van Diemen hatte immer noch das Klebeband über dem Mund und die Hände auf dem Rücken gefesselt, denn in dieser Etage wohnte das Gefängnispersonal, und es wäre nur zu verständlich gewesen, wenn Van Diemen den Wunsch gehabt hätte, die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich und seine Begleiter zu lenken. Es gab keine Wachen hier – weder wache noch schlafende – und es bestand auch keine Notwendigkeit dafür: Wachtposten waren ersetzbar, Van Diemens Papiere jedoch nicht. Bruno ging geradewegs auf die Tür zu, die am Fuße der Treppen lag. Sie war nicht verschlossen, und die Aktenschränke in dem Raum dahinter waren es auch nicht, aber auch dafür bestand ja keine Veranlassung. Bruno öffnete rasch hintereinander mehrere Schubladen, entnahm ihnen zahlreiche Akten, blätterte sie eilig durch und ließ sie anschließend achtlos auf den Boden fallen.
Roebuck sah ihm mit verwirrtem Gesicht zu und sagte schließlich: »Noch vor ein paar Sekunden hattest du es höllisch eilig, diese gastliche Stätte zu verlassen. Wo sind wir hier überhaupt?«
»Hier werden die Gefängnisunterlagen aufbewahrt.«
Das war alles, was Bruno als Erklärung für nötig hielt. Plötzlich schien er gefunden zu haben, was er gesucht hatte: einen detaillierten Plan mit einer ganzen Reihe von Namen auf der Rückseite. Er überflog die Namen kurz, nickte höchst zufrieden, ließ auch diese Akte auf den Boden fallen und ging weg.
»Aha, der Gedächtniskünstler ist wieder mal am Werk, was?«
»Du sagst es.«
Sie machten einen Bogen um den Aufzug, gingen die Treppe hinunter bis in den fünften Stock und erreichten über den Glaskorridor den Gefängniskomplex. Der Weg über den Verbindungsgang war nicht im entferntesten so riskant, wie man vielleicht angenommen hätte, denn die einzigen, die möglicherweise ein wachsames Auge auf den Durchgang gehabt hätten, wären die Wachtposten in den Türmen gewesen, und die waren momentan nicht in der Lage, irgend etwas im Auge zu behalten.
Als sie die geschlossene Tür am Ende des Durchgangs erreichten, bedeutete Bruno seinen Begleitern, stehenzubleiben. »Wartet. Ich weiß, wo der Wachraum liegt – gleich links um die Ecke. Aber ich weiß nicht, ob die Wachen auf Patrouille sind.«
»Und was nun?« fragte Roebuck.
»Es gibt nur eine Möglichkeit, es herauszufinden.«
»Ich komme mit.«
»Nein. Bis jetzt hat dich noch niemand erkannt, und es wäre mir gar nicht recht, wenn dein Inkognito plötzlich gelüftet würde. Vergiß nicht, daß du heute abend im Circus auftrittst. Ebenso wie Kan Dahn. Und Manuelo. Und nicht zu vergessen, natürlich auch Vladimir und Yoffe.«
Manuelo schaute ihn fassungslos an.
»Deine Brüder?«
»Natürlich. Sie sind hier. Was hattest du denn gedacht, wo man sie hingebracht hat?«
»Aber … aber die Lösegeldforderung?«
»Ein kleiner Scherz der hiesigen Geheimpolizei. Meine Brüder können also ohne jedes Risiko auftreten. Niemand hat etwas gegen sie. Wieso sollte man auch? Sie waren nur die Gewähr für mein gutes Betragen.«
»Sehr vertrauensselig bist du nicht gerade«, beschwerte sich Manuelo gekränkt.
»Schweigsamkeit ist ein gutes Mittel, um ein wenig länger zu leben als andere.«
»Und wie wirst du es jetzt realisieren, am Leben zu bleiben?«
»Ich verschwinde von hier.«
»Natürlich. Ist ja nichts leichter als das. Du schlägst einfach mit den Armen und fliegst davon.«
»Mehr oder weniger. Roebuck hat in seinem Beutel ein kleines Spielzeug. Wenn ich das in Gang setzte, müßte in etwa zwanzig Minuten ein Hubschrauber hier sein.«
»Ein Hubschrauber? Wo willst du denn den herkriegen?«
»Von einem amerikanischen Schiff, das vor der Küste liegt.«
Roebuck schwieg verblüfft. Aber als er sich gefangen hatte, beklagte auch er sich: »Du bist wirklich außerordentlich schweigsam. Aber aus dieser Eröffnung schließe ich, daß du als einziger von hier verschwindest.«
»Nein, ich nehme Maria mit. Die Polizei hat Bandaufnahmen, die beweisen, daß sie bis zum Hals in dieser Sache drinsteckt.«
Sie starrten ihn an, als habe er Chinesisch gesprochen.
»Ach, stimmt ja«, erinnerte sich Bruno. »Ich habe euch ja auch nicht erzählt, daß sie eine CIA-Agentin ist.«
»So was von wortkarg wie dich gibt es wohl kaum noch mal«, sagte Roebuck kopfschüttelnd. »Und wie willst du mit ihr in Verbindung treten, um sie mitzunehmen?«
»Ich werde sie im
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