City Crime – Vermisst in Florenz
Wenn er aber dem Juwelier die Polizei auf den Hals hetzte? Ein guter Plan, fand Andrea und schritt entschlossen zur Tat.
Er suchte auf dem Weg nach einem brauchbaren Gegenstand – einem Stein oder etwas Ähnlichem. Schnell wurde er fündig. Nur wenige Meter weiter wurde eine Fassade renoviert. Ein übliches Bild in Florenz. Genau genommen wurden ständig irgendwo irgendwelche Restaurationsarbeiten vorgenommen. Die ganze Stadt war nicht nur alt und schön, sondern eben auch brüchig.
Unter dem Baugerüst lag eine Menge Geröll herum. Andrea schnappte sich ein paar Gesteinsbrocken, lief zurück und warf sie mit voller Wucht gegen die Schaufensterscheibe. Wie erwartet, handelte es sich um dickes Sicherheitsglas, das nicht so leicht nachgab. Vermutlich würde er es überhaupt nicht schaffen, die Scheibe einzuschlagen. Aber seine Steinwürfe genügten allemal, um eine kleine Delle in die Scheibe zu donnern. Ein kleiner Sprung von wenigen Zentimetern Länge zeigte sich in der Scheibe. Groß genug, um Alarm auszulösen.
Andrea machte, dass er wegkam.
Francesco und Finn hörten die Sirene und wandten sich erschrocken um.
Andrea kam auf sie zugelaufen: »Schnell weg!«, rief er ihnen zu.
»Warst du das?«, fragte Finn entgeistert. »Bist du irre?«
»Wieso?«, verteidigte sich Andrea. »Ist doch eine gute … wie sagt man? … Absteuerung!«
»Ablenkung!«, korrigierte Finn.
»Sì«, sagte Andrea. »Jetzt habe nicht wir, sondern il … gioielliere … die Juwelier … die Polizei an die Hals. Und wir können weiter suchen in alle Ruhe. Also? Was ist die problema?«
So gesehen, musste Finn ihm zustimmen. Schnell machten die drei, dass sie weiterkamen – nach wie vor die Fenster des Vasari-Korridors im Blick. Doch von Joanna war nichts zu sehen oder zu hören.
Die stand im hinteren Raum des kleinen Ladens und war gerade damit beschäftigt, die neugierigen Fragen des Juweliers abzuwimmeln. Es überraschte sie nicht, dass er versuchte, sie auszufragen. Natürlich wusste er, dass Joanna zusammen mit ihrem Bruder und zwei neu gewonnenen Freunden auf der Suche nach dem Schatz und ihrem Vater war. Darüber hatten ihn die beiden Männer sicherlich informiert. Aber er schien nicht zu ahnen, dass Joanna auch von seinem Verrat wusste. Woher auch? Die Männer hatten ja nicht mitbekommen, dass die Kinder sie verfolgt hatten.
So gab sich der Juwelier als Freund des Vaters aus und versuchte geschickt, seinerseits Informationen über den Fundort des Schatzes und vor allem über das Notizbuch herauszubekommen. Die Männer hatten ihm wohl auch von dem Notitzbuch erzählt. Aber da Joannas Vater dem Juwelier vertraut hatte, hatte ihr Vater ihm sogar möglicherweise höchstselbst vom Notizbuch erzählt.
Joanna gab sich ganz unbedarft. Sie berichtete dem Juwelier wahrheitsgemäß, dass ihr das Notizbuch mitsamt Tasche leider gestohlen worden war. Der Juwelier schaute sie äußerst skeptisch an. Joanna hielt dem Blick stand.
Mitten in dieses argwöhnische Schweigen hinein knallten die Steine gegen die Scheibe und die Alarmanlage ging los.
Der Juwelier fluchte, schlug wütend mit der flachen Hand auf den Tisch und ging nach vorn, um nachzuschauen, was dort los war.
Das war der Moment, in dem Joanna handeln musste. Ihr war klar, dass sie nur wenig Zeit hatte. Sie hatte sich während des Gesprächs schon heimlich umgesehen, aber nichts entdecken können, was ein Zugang zum Vasari-Korridor hätte sein können: keine Treppe, keine Tür, einfach nichts.
Der hintere Raum war nur ein kleines Kämmerlein. Ein Schreibtisch, vollgepackt mit allerlei Kram und Papieren, ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen, auf denen sie gesessen hatten, mehr gab es nicht. Nur noch eine kleine Nische mit einem Spülbecken und zwei Kochplatten. So etwas nannte man wohl Teeküche, dachte Joanna. Obwohl der Begriff hier sicher unpassend war, denn sie hatte noch nie einen Italiener Tee trinken sehen. An der vierten Wand stand ein schmaler Kleiderschrank, in dem vielleicht ein Ersatzanzug oder so hing, viel mehr sicher nicht.
Joanna wurde schnell klar, wonach sie suchen musste: einem geheimen, getarnten Zugang zum Vasari-Korridor. Immerhin hatten die beiden Männer den Laden ja betreten, waren aber nicht wieder herausgekommen. Und hier drinnen waren sie auch nicht. Also musste es einen geheimen Gang geben. Möglicherweise hatte der Juwelier selbst ihn erst vor Kurzem entdeckt. Vielleicht hatte ihn sogar ihr Vater durch seine Nachforschungen erst darauf gebracht,
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