City Crime – Vermisst in Florenz
lang. Der Ponte Vecchio lag kurz vor der Mitte des Ganges. So hatte Joanna maximal noch 600 Meter vor sich, schätzte sie. Direkt nach der Brücke wand sich der Gang umständlich um den Mannelli-Turm herum. Joanna erinnerte sich, was ihr Vater ihr zu dem Turm erklärt hatte: Ursprünglich mal zur Verteidigung der Brücke erbaut, wurde er später eigentlich überflüssig. Doch der Besitzer hatte sich geweigert, ihn wegen des Baus des Vasari-Gangs abreißen zu lassen. So war den Architekten seinerzeit nichts übrig geblieben, als den Korridor wie eine Schlange um den Turm herumzuführen.
Nach dem Turm führte der Gang direkt durch die kleine Kirche Santa Felicita. Es war wie ein Laubengang, nur eben im ersten Stock. So konnten die damaligen Herrscher am Gottesdienst teilnehmen und unmittelbar danach wieder durch den Gang in den Palazzo Vecchio oder Palazzo Pitti entschwinden, ohne unten im Kirchenschiff mit dem gemeinen Volk in Berührung kommen zu müssen. Andererseits hieß das aber auch: Durch die Kirche musste es einen weiteren Zugang zum Vasari-Korridor geben. Eine solche Verbindung wäre eine gute Möglichkeit für die Jungs, hereinzukommen und Joanna bei der Verfolgung der Männer zu unterstützen. Vorausgesetzt, ihnen gelang es, die Kirchentür zu öffnen.
Joanna blieb an der Stelle im Gang stehen, wo sie zur einen Seite in das schmuckvolle Innere der Kirche blicken konnte und zur anderen direkt auf die Straße, auf der sie versuchte, die Jungs zu entdecken.
Da! Tatsächlich! Sie sah, wie die drei, die soeben angelaufen kamen, auf dem Innenhof vor der Kirche stehen blieben und zu den Fenstern des Korridors hinaufschauten. Joanna winkte ihnen heftig zu. Aber es war zu dunkel. Der Platz war kaum beleuchtet, der Gang an dieser Stelle überhaupt nicht.
Joanna sah sich nach allen Seiten um. Sie schien allein zu sein. Es drohte keine Gefahr. So blinkte sie mit ihrer Taschenlampe hinunter zu den Jungs. Sie ärgerte sich. Mehr als ein Mal hatte ihr Bruder in den vergangenen Monaten versucht, ihr das Morsealphabet beizubringen, nachdem er davon in einem Abenteuerbuch gelesen hatte. Er fand, das wäre eine tolle Geheimsprache. Joanna hatte ihn dafür immer ausgelacht und sich nicht vorstellen können, wann und wo man im Zeitalter von Smartphones so etwas Steinzeitmäßiges wie ein Morsealphabet brauchen sollte.
Und jetzt stand sie in einem geheimen Gang aus dem 16. Jahrhundert, mit Blickkontakt zu ihrem Bruder, der sie aber nicht sah, und traute sich nicht, ihn anzurufen. Sie hatte Angst, die Männer könnten sich in Hörweite befinden. Sie ließ die Taschenlampe wild blinken.
Aber ausgerechnet in dem Moment schienen die Jungs etwas zu diskutieren. Jedenfalls schauten sie gerade jetzt nicht zum Fenster hinauf.
Joanna nahm ihr Handy und schrieb eilig eine SMS:
Bin hier oben am Fenster.
Guckt mal hoch!
Sie schaute hinunter, um zu sehen, ob ihr Bruder den Eingang der Nachricht bemerken würde. Aber der war so mit den anderen beschäftigt, dass er wohl das Piepen nicht hörte. Es war zum Verzweifeln!
Joanna überlegte, ob sie nicht einen der Jungs direkt mit dem Lichtschein blenden konnte. Aber dafür war ihre Lampe zu schwach.
»Oh Mann!«, stöhnte Joanna. »Guckt doch mal hier hoch, ihr Blödis!«
In dem Moment packte sie jemand von hinten, drückte ihr eine Hand fest auf den Mund, sodass sie nicht schreien konnte, und riss sie vom Fenster fort.
Joanna zappelte, wand sich, versuchte zu schreien, doch kein Laut drang durch die Pranke, die nicht nur ihre Hilferufe im Keim erstickte, sondern ihr auch fast die Luft zum Atmen raubte. Ein Zweiter hielt ihre strampelnden Beine fest und dann musste Joanna sich hilflos forttragen lassen!
Unten auf dem Hof standen die drei Jungs und blickten nun, ein paar Sekunden zu spät für Joanna, wieder hinauf zu den Fenstern.
»Ich glaube nicht, dass sie schon hier ist«, vermutete Finn.
Andrea widersprach: »Das kann doch nicht sein! Warum sie gibt die ganze Zeit nicht ein einziges Zeichen? Vielleicht ihr ist doch etwas passiert!«
Finn wurde ganz blass um die Nase. Er zog sein Handy aus der Tasche und schlug vor, Joanna einfach mal anzurufen. Da sah er die Nachricht.
Er schaute hoch zum Fenster. Von seiner Schwester war nichts zu sehen.
»Eben muss sie noch da gewesen sein! Sie hat uns gesehen!«, informierte er die anderen.
Aber wieso war sie nicht mehr da? Was konnte passiert sein?
»Soll ich antworten oder sie anrufen?«, fragte er.
Andrea hielt das für keine
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