City of Lost Souls
mich sogar gefragt, was mich meiner Meinung nach schwul gemacht hat.«
Simon spürte, wie Isabelle sich neben ihm versteifte. »Was dich schwul gemacht hat?«, wiederholte sie ungläubig. »Alec, davon hast du mir nie erzählt.«
»Hoffentlich hast du ihm geantwortet, dass du von einer schwulen Spinne gebissen wurdest«, meinte Simon.
Magnus prustete vor Lachen, während Isabelle verwirrt dreinschaute.
»Ich habe Magnus’ Comic-Stapel durchgeblättert«, sagte Alec, »also weiß ich ausnahmsweise mal, worauf du anspielst.« Ein leichtes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. »Und damit hätte ich dann die proportionale Homosexualität einer Spinne?«
»Nur wenn es sich um eine superschwule Spinne gehandelt hat«, erwiderte Magnus und stieß einen unterdrückten Schrei aus, als Alec ihn auf den Oberarm boxte. »Aua – okay, okay, ist ja schon gut.«
»Wie auch immer«, meinte Isabelle, ganz offensichtlich verärgert darüber, dass sie den Witz nicht begriff. »Dad wird wahrscheinlich sowieso nicht mehr aus Idris zurückkommen.«
Alec seufzte. »Tut mir leid, wenn ich deine Vorstellung von einer glücklichen Familie zerstört habe. Ich weiß, du hättest gern, dass Dad mit meiner Homosexualität kein Problem hat, aber das ist nun mal nicht der Fall.«
»Aber wenn du mir nicht erzählst, dass andere schlecht über dich reden oder Dinge tun, die dich verletzen – wie soll ich dir da helfen?« Simon spürte, wie Isabelle vor Entrüstung förmlich bebte. »Wie kann ich … «
»Izzy«, unterbrach Alec sie erschöpft. »Es geht hier nicht um einen einzigen, besonders negativen Vorfall, sondern um viele, beinahe unsichtbare Kleinigkeiten. Als Magnus und ich herumgereist sind, habe ich öfters zu Hause angerufen. Nicht ein einziges Mal hat Dad sich erkundigt, wie es Magnus geht. Wenn ich bei Ratssitzungen aufstehe, um etwas zu sagen, hört mir niemand zu. Ich weiß nie, ob das daran liegt, dass ich noch relativ jung bin, oder an etwas anderem. Einmal hab ich mitbekommen, wie Mom sich mit einer Freundin über deren Enkelkinder unterhielt, doch als ich den Raum betrat, brach das Gespräch sofort ab. Und Irina Cartwright meinte zu mir, es sei eine Schande, dass niemand meine blauen Augen erben würde.« Er zuckte die Achseln und schaute zu Magnus hinüber, der eine Hand vom Steuer nahm und sie kurz auf Alecs Hände legte. »Das alles ist nicht mit einem Messerstich zu vergleichen, vor dem du mich beschützen könntest – es sind eher eine Million kleiner Nadelstiche … Tag für Tag.«
»Alec«, setzte Isabelle an. Doch bevor sie irgendetwas hinzufügen konnte, tauchte vor ihnen ein hölzernes Schild in Form eines Pfeils auf, mit der Aufschrift THREE ARROWS FARM.
Simon erinnerte sich daran, wie Luke damals, auf dem Boden der Farm kniend, die Blockbuchstaben in schwarzer Farbe auf das Holz aufgetragen hatte. Clary hatte dann den unteren Rand des Schilds mit einem Blumenmuster versehen, das inzwischen fast verblichen war. »Fahr hier links«, forderte er Magnus auf und streckte dabei so ruckartig den Arm aus, dass er die beiden anderen beinahe getroffen hätte. »Wir sind da.«
Erst nach mehreren Kapiteln aus Dickens’ Roman hatte Clary ihrer Erschöpfung nachgegeben und war an Jace’ Schulter eingeschlafen. Im Halbschlaf erinnerte sie sich daran, wie er sie die Treppe hinuntergetragen und in das Schlafzimmer gelegt hatte, in dem sie am ersten Tag aufgewacht war. Als er beim Hinausgehen die Tür hinter sich schloss, versank der Raum in tiefer Dunkelheit. Und während er auf dem Flur noch nach Sebastian rief, war sie beim Klang seiner Stimme schon eingeschlafen.
Erneut träumte Clary von dem zugefrorenen See, von Simon, der ihren Namen rief, und von einer Stadt ähnlich wie Alicante, deren Dämonentürme jedoch aus menschlichen Gebeinen waren und durch deren Kanäle Ströme von Blut flossen. Als sie im dunklen Raum aufwachte, war ihr Bettlaken zerknüllt und ihr Haar total zerzaust. Zunächst glaubte Clary, die Stimmen draußen vor der Tür wären Teil ihres Traums, doch als sie lauter wurden, hob sie lauschend den Kopf, obwohl sie immer noch schlaftrunken und halb in ihren Träumen verfangen war.
»Na, kleiner Bruder?«, drang Sebastians Stimme unter ihrer Zimmertür hindurch. »Hast du es erledigt?«
Eine ganze Weile kam keine Antwort. Dann erklang Jace’ Stimme seltsam flach und tonlos: »Ja, ich hab’s erledigt.«
Sebastian sog hörbar die Luft ein. »Und die alte Dame … hat getan, was wir wollten? Den
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