City of Lost Souls
Kelch angefertigt?«
»Ja.«
»Zeig ihn mir.«
Ein Rascheln, dann wieder Stille. Schließlich sagte Jace: »Hier nimm ihn, wenn du ihn willst.«
»Nein.« Aus Sebastians Tonfall sprach eine merkwürdige Zurückhaltung. »Behalte ihn erst mal. Schließlich hast du ihn ja auch hergeschafft, oder?«
»Aber es war dein Plan.« Irgendetwas in Jace’ Stimme ließ Clary sich vorbeugen und ihr Ohr gegen die Wand pressen, um kein Wort zu verpassen. »Und ich habe ihn ausgeführt, so wie du es gewollt hast. Und jetzt, wenn du nichts dagegen hast … «
»Ich hab aber etwas dagegen.« Ein erneutes Rascheln. Clary stellte sich vor, wie Sebastian aufgestanden war und jetzt auf den nur wenige Zentimeter kleineren Jace hinabschaute. »Irgendetwas stimmt nicht mit dir. Ich spüre das, aber das weißt du ja.«
»Ich bin einfach nur müde. Außerdem war ziemlich viel Blut im Spiel. Jetzt will ich mich einfach nur duschen und dann schlafen. Und … « Jace’ Stimme erstarb.
»Und du willst meine Schwester sehen.«
»Ja, ich möchte sie jetzt gern sehen.«
»Sie schläft. Schon seit Stunden.«
»Brauche ich dazu etwa deine Erlaubnis?« In Jace’ Stimme schwang ein scharfer Unterton mit, der Clary daran erinnerte, wie Jace einmal mit Valentin gesprochen hatte. In diesem Tonfall hatte er schon sehr lange nicht mehr mit jemandem geredet.
»Nein.« Sebastian klang überrascht, fast schon überrumpelt. »Wenn du unbedingt in ihr Zimmer platzen und sehnsüchtig ihr schlafendes Gesicht anstarren willst, nur zu. Ich werde nie verstehen, warum … «
»Richtig«, bestätigte Jace. »Das wirst du nie verstehen.«
Erneut wurde es still. Clary konnte förmlich sehen, wie Sebastian mit einem fragenden Ausdruck im Gesicht Jace hinterherstarrte. Erst nach einem Moment begriff sie, dass Jace auf ihr Zimmer zusteuern musste. Rasch warf sie sich flach auf das Bett und schloss die Augen, als sich auch schon die Tür öffnete. Ein gelblich weißer Lichtschein fiel ins Zimmer, der sie einen Moment lang blendete. Sie versuchte, so überzeugend wie möglich aufzuwachen, und drehte sich auf die Seite, eine Hand vor den Augen. »Was ist denn … ?«
Die Tür schloss sich und im Raum war es wieder dunkel. Clary konnte Jace nur als Schatten erkennen, der sich langsam auf ihr Bett zu bewegte. Als er über ihr stand, musste sie an eine andere Nacht denken, in der er zu ihr gekommen war, als sie schlief. Jace stand am Kopfende des Bettes, noch immer in seiner weißen Trauerkleidung, und in der Art und Weise, wie er zu ihr hinunterschaute, lag nichts Leichtes oder Sarkastisches oder Distanziertes. »Ich bin die ganze Nacht ziellos umhergewandert – ich konnte nicht schlafen. Und dann hab ich festgestellt, dass meine Füße mich immer wieder hierhergebracht haben. Zu dir.«
Jetzt war er nur eine Silhouette – eine Silhouette mit hellen Haaren, die im schwachen Licht, das unter dem Türschlitz hindurchfiel, leicht schimmerten. »Clary«, wisperte er.
Im nächsten Moment ertönte ein dumpfes Geräusch und Clary begriff, dass er neben ihrem Bett auf die Knie gefallen sein musste. Reglos blieb sie liegen, aber ihr Körper versteifte sich.
Flüsternd drang Jace’ Stimme durch die Dunkelheit: »Clary, ich bin’s. Jace!«
Ruckartig schlug Clary die Lider auf und ihre Blicke trafen sich im Dunkeln. Mit großen Augen starrte sie Jace an, der vor ihr kniete und ungefähr auf einer Höhe mit ihr war. Er trug einen langen dunklen Wollmantel, der bis zum Kragen zugeknöpft war. Schwarze Runenmale – für Unhörbarkeit, Beweglichkeit und Genauigkeit – wanden sich wie eine Art Kette um seinen Hals. Clary hatte das Gefühl, durch seine großen goldenen Augen hindurchsehen zu können. Dahinter entdeckte sie Jace – ihren Jace. Der Jace, der sie in seinen Armen getragen hatte, als der Stachel des Ravener-Dämons sie getroffen und vergiftet hatte; der Jace, der schweigend zugesehen hatte, wie sie Simon vor der aufgehenden Sonne über dem East River zu schützen versucht hatte; der Jace, der ihr von dem kleinen Jungen und seinem Falken erzählt hatte, dem der Vater das Genick gebrochen hatte. Der Jace, den sie liebte.
Clarys Herz schien einen Moment auszusetzen; sie konnte nicht einmal nach Luft schnappen.
Ein drängender, gequälter Ausdruck stand in Jace’ Augen. »Bitte«, murmelte er. »Bitte, du musst mir glauben.«
Und Clary glaubte ihm. Sie besaßen das gleiche Blut, liebten auf dieselbe Art und Weise: Dies hier war ihr Jace, so sicher wie ihre
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