City Vampire - Frankfurt im Morgengrauen
stand sie so da und spürte, wie der lebende Baum sich ganz sacht im Nachtwind wiegte. Es waren nur die oberen Äste, die der Wind zu bewegen vermochte, aber die Schwingung gelangte durch den Stamm bis in Laras Fingerspitzen. Es war ein berauschendes Gefühl.
„Ist das bei dir auch so?“, fragte sie Janus mit vor Staunen geweiteten Augen.
„Ich denke schon “, bestätigte er lächelnd und legte ebenfalls eine Hand an den Stamm. „Aber genau weiß ich es natürlich nicht. Wenn man ein Vampir wird, verstärkt sich die Wahrnehmung. Da du schon vorher hellfühlig warst, wirst du mir sicherlich in einigen Dingen überlegen sein, was die Sinnesschärfe angeht.“
Lara lachte leise.
„Ich möchte noch mehr sehen!“, rief sie und dann schlenderten sie weiter durch den Park. Lara spürte das Leben in jedem Baum, staunte über die klaren, bunt funkelnden Sterne und erschreckte sich bei weit entfernten Geräuschen.
„ Vielleicht könnte ich sogar meinen Job weitermachen …“, überlegte Lara nach einer Weile. „Meine neuen Kräfte könnten bei den Ermittlungen von immensem Vorteil sein ...“
Janus überlegte einen Moment, dann antwortete er: „Ich wüsste nicht, was dagegen spricht, sobald du deinen Durst unter Kontrolle hast. Du musst dich vom Sonnenlicht fernhalten, das ist die einzige Einschränkung. Aber es gibt tausend Ausreden dafür, sich nur bei sehr schlechtem Wetter oder am Abend blicken zu lassen.“ Er grinste sie an. „Ich habe eine Menge Erfahrung damit.“
„Gut zu wissen.“ Lara lächelte zurück. „Vielleicht komme ich ja auf deine diesbezüglichen Erfahrungen zurück. Morgen früh muss ich auf jeden Fall erst einmal … oh mein Gott.“ Abrupt blieb Lara stehen und schlug sich mit der flachen Hand vor den Mund.
„Was ist?“, fragte Janus und sah sie erschrocken an.
„Julia“, meinte Lara tonlos. „Die arme Julia. Ich hatte sie völlig vergessen.“
Janus runzelte die Stirn . Das war der Teil der Geschichte, den er noch nicht kannte.
„Julia? Meinst du deine Assistentin? Was ist mit ihr?“
„Skolgar hat sie getötet “, erklärte Lara. „So hat er mich überwältigt. Ich fand ihre Leiche und er hat den Moment meines Erschreckens ausgenutzt …“ Sie schluchzte und kalte Tränen schossen ihr in die Augen.
Janus fasste sie an den Armen und sah ihr fest in die Augen. „Es tut mir leid “, flüsterte er aufrichtig. „Aber Skolgar hat dafür bezahlt. Er wird niemals wieder jemandem ein Leid zufügen können.“
„Ich weiß.“ Lara blicke zu Boden. „Es ist nur – ich war doch für i hre Sicherheit verantwortlich.“
„Du hättest es nicht verhindern können “, versuchte Janus sie zu trösten. „Skolgar war ein Monster. Wir konnten nicht vorhersehen, was er als nächstes tun würde.
„Ich weiß.“ Lara schniefte. „Ich weiß. Es ist trotzdem furchtbar.“ Sie griff in ihre innere Jackentasche und suchte nach etwas, wurde jedoch nicht fündig.
„Was ist?“, fragte Janus.
„Mein Handy. Ich habe es sonst immer hier bei mir…“ Sie sah Janus ins Gesicht. „Ich weiß, es wird dir nicht gefallen – aber ich muss mit Klaus Schmidt sprechen. Sie haben inzwischen bestimmt ihre Leiche gefunden und ich war sozusagen verschollen. Entweder denken sie, dass ich auch tot bin – oder sie halten mich nun für ihre Mörderin.“
Kapitel 27
Lara hatte recht. Es gefiel Janus ganz und gar nicht. „Bleib einfach noch ein paar Tage hier. Ich rufe Schmidt an und sage ihm …“
„Was willst du ihm sagen?“, fragte Lara barsch. „Er misstraut dir, das hast du selbst gesagt. Er wird dir kein Wort glauben.“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich muss selbst mit ihm sprechen.“
Sie fand ihr Telefon im Schlafzimmer neben dem Bett. Janus hatte es aus ihrer Jackentasche genommen, als er sie in der Nacht zuvor ausgezogen hatte. Lara starrte auf das schwarze Display. Der Akku war leer, vermutlich schon seit vielen Stunden. Sie erinnerte sich, dass sie es im Büro auf die Ladestation hatte stellen wollen. Doch dazu war sie ja nicht mehr gekommen.
Sie borgte sich ein Ladekabel von Janus und schaltete das Smartphone ein. Nur Sekunden, nachdem es sich mit dem Telefonnetz verbunden hatte, trudelten die Hinweise ein: Neuer Anruf ohne Nachricht von gestern Mittag, zwölf Uhr vierunddreißig. Dann eine Stunde später dasselbe, ein Anruf ohne Nachricht. Und dann noch einmal am Abend, diesmal hatte der Anrufer eine Nachricht hinterlassen. Und dann, am heutigen Morgen, wieder
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