Clancy, Tom
richtigen Krieg, in dem Befehle mündlich gegeben
werden konnten, aber danach begannen sich die Schreibtischhengste ins Hemd zu
machen, und hinter jeder Ecke lauerte so ein Schurke von Anwalt. Eigentlich
ist das auch gar nicht so schlecht. Wo kämen wir denn hin, wenn ein
Regierungsangestellter einen solchen Befehl geben könnte, wenn ihm gerade mal
danach ist. Früher oder später kann dann Person A bei einem Einsatz gar nicht
anders. Daraufhin bekommt Person B einen Gewissensanfall und macht Person A zur
Sau, selbst wenn es der Bösewicht wirklich verdient hat, vorzeitig vor das
Angesicht seines Schöpfers zu treten. Es ist wirklich erstaunlich, wie gefährlich
ein Gewissen werden kann - und das dann gewöhnlich zur falschen Zeit. Wir
leben eben in einer unvollkommenen Welt, Ding, und es gibt auch keine Regel,
die festlegen würde, dass diese Welt einen Sinn haben sollte.«
»Ein
Blankognadenerlass des Präsidenten«, änderte Ding das Thema. »Ist so etwas
wirklich legal?«
»Nun, der
Chef behauptet es jedenfalls. Ich erinnere mich noch, wie der James-Bond-Film Dr. No herauskam. In der Werbung für den Film hieß es:
>007 bedeutet: Er hat die Lizenz, jederzeit jeden beliebigen Menschen zu
töten.< Das war damals in den Sechzigerjahren noch richtig cool. Vor
Watergate und alldem gefiel der Kennedy-Regierung dieser Gedanke ebenfalls.
Deshalb planten sie auch die >Operation Mongoose<, bei der die CIA Fidel
Castro umbringen sollte. Natürlich wurde es ein ziemliches Desaster, aber es
wurde niemals enthüllt, wie jämmerlich das Ganze gescheitert war. Da sorgte
schon die Politik dafür«, erklärte Clark. »Ich nehme an, dass du von dieser
Geschichte noch nie etwas gehört hast.«
»Zum
Lehrstoff der >Farm< gehörte sie jedenfalls nicht.«
»Habe ich
mir gedacht. Wer würde auch gern für einen Geheimdienst arbeiten, der einen
solchen Schwachsinn plant? Einen ausländischen Staatschef umzubringen ist echt
übles Voodoo. Selbst wenn einer unserer Präsidenten es für cool hielt, einmal
den Soziopathen zu spielen. Es ist schon komisch, wie viele Leute die Dinge
nicht zu Ende denken.«
»Wie zum
Beispiel wir?«
»Nicht,
wenn man Leute umlegt, die nicht so wichtig sind.«
»Was soll
eigentlich der Scheiß mit diesem Ranger - wie hieß er noch mal?«
»Sam
Driscoll«, erwiderte Clark. Ryan hatte ihnen von der CID-Untersuchung erzählt,
für die Kealty gesorgt hatte. »In den Neunzigern bin ich mit Driscoll ein paar
Berge hochgekraxelt. Ein guter Mann.«
»Unternimmt
einer etwas gegen diesen Unfug?«
»Weiß ich
nicht, aber Jack hat uns das bestimmt aus einem ganz bestimmten Grund erzählt.«
»Ein neuer
Anwärter für den Campus?«
»Mag sein.
Trotzdem ist es eine Schande, wenn deine Karriere gestoppt wird, nur weil so
ein Schwachkopf dies für seine politischen Spielchen braucht, Mano.«
»Wie recht
du hast«, stimmte Clark zu.
Sie fuhren
ein paar Minuten schweigend weiter, dann sagte Chavez: »Er sieht besorgt aus.
Und müde.«
»Jack? Das
wäre ich an seiner Stelle auch. Der arme Hund. Eigentlich will er doch nur
seine Memoiren schreiben, sein Handicap beim Golf verbessern und seinen Kids
ein guter Daddy sein. Er ist wirklich ein anständiger Kerl.«
»Genau das
ist sein Problem«, erklärte Chavez.
»Wohl
wahr.« Es war schön zu wissen, dass sein Schwiegersohn seine Zeit an der
George-Mason-Universität nicht vertrödelt hatte. »Pflichtgefühl kann einen
manchmal ganz schön in Bedrängnis bringen. Dann muss man sich selbst einen
Ausweg suchen.«
In Peregrine Cliff gingen Ryan derweil unzählige Gedanken
durch den Kopf, während seine Finger über der Tastatur verharrten. Dieser verdammte Kealty ... Einen Soldaten anzuklagen, weil er
Feinde getötet hatte. Das zeigte deutlich den Charakter des amtierenden Präsidenten,
dachte er traurig.
Er schaute
zu seinem Mehrleitungstelefon hinüber. Zweimal streckte er die Hand nach ihm
aus. Beide Male stoppte sie mitten in der Luft, scheinbar aus eigenem Antrieb,
so als wollte sie das Postulat des heiligen Augustinus zum freien Willen des
Menschen widerlegen. Schließlich nahm er doch den Hörer ab und wählte eine
Nummer.
»Hallo,
Jack«, antwortete die Stimme van Damms, dessen Privatanschluss über eine
Anruferkennung verfügte.
»Okay,
Arnie, du kannst loslegen. Gott steh mir bei«, fügte er hinzu.
»Lass mich
erst einmal mit ein paar Leuten telefonieren. Ich melde mich morgen bei dir.«
»Okay. Bis
dann«, sagte Ryan und legte auf. Was zum
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