Clancy, Tom
schon, dieselbe Referenznummer der abgefangenen
Nachricht, doch hier war sie an drei mehrere Wochen alte E-Mails angehängt
worden. Die erste E-Mail stammte von einem Mitarbeiter im Nationalen Sicherheitsrat
und war an die NSA gerichtet. Anscheinend wollte jemand im Weißen Haus genau
wissen, wie man an die Information gelangt war. Die Anfrage war an die DNSA,
die Digital National Security Archives, weitergeleitet worden — mit dem Zettel
hatte sich ein Drei-Sterne-Nachrichtenoffizier befassen müssen, momentan war
das der Army-Offizier Lieutenant General Sam Ferren, der knapp und bündig
antwortete: BACKPACK. NICHT BEANTWORTEN. WIRD ADMINISTRATIV BEARBEITET.
Jack
musste grinsen. Derzeit war »Backpack« der rotierende interne Codename für
Echelon, das allwissende, alles sehende elektronische Überwachungsprogramm der
NSA. Der Mitarbeiter des Sicherheitsrats hatte sich nach den »Quellen« und
»Methoden« erkundigt, also genau nach den wichtigsten Elementen, mit denen die
NSA ihre Magie trieb. Solche Geheimnisse wurden an Nachrichtenkonsumenten wie
das Weiße Haus schlicht nicht weitergegeben, und dass sie von einem Mitarbeiter
des Sicherheitsrats angefordert wurden, war einfach idiotisch.
Wie
vorauszusehen war, führte Ferren in seiner XITS-Zusammenfassung für den
Sicherheitsrat als Quelle der aufgefangenen Nachricht eine ȟberseeische
Kooperation« im Rahmen des elektronischen Aufklärungssystems ELINT an. Im
Grunde ließ er damit das Weiße Haus nur wissen, dass die NSA die Information
von einem befreundeten Nachrichtendienst erhalten habe. Kurz und gut: Er log.
Dafür
konnte es nur einen einzigen Grund geben: Ferren vermutete, dass das Weiße
Haus das XITS weitergeben würde. Herrgott, dachte Jack, es muss doch selbst für
einen Drei-Sterne-Offizier ziemlich starker Tobak sein, sich genau überlegen zu
müssen, was er dem amtierenden Präsidenten mitteilte und was nicht. Aber wenn
nicht einmal die Schlapphutwelt dem Präsidenten vertrauen konnte, wer kümmerte
sich dann um das Land? Und wenn das ganze System zusammenbrach, überlegte Jack,
an wen konnte man sich dann noch wenden? Aber das war wohl eher eine Frage für
einen Philosophen oder einen Priester.
Keine Grübeleien am frühen Morgen, mahnte
sich Jack. Aber wenn er das XITS las - das doch das heiligste aller heiligen
Dokumente der Regierung war -, was las er dann nicht? Was wurde nicht
mitgeteilt? Und wer zum Teufel bekam diese Info? Gab es noch einen isolierten
Kommunikationskanal, der ausschließlich der Direktorenebene vorbehalten war?
Okay, der
Emir hatte also wieder einmal etwas von sich gegeben. Die NSA besaß keinen
Schlüssel zu seinem persönlichen Verschlüsselungssystem, wohl aber der Campus
- das war etwas, das Jack selbst beschafft hatte. Die Daten hatte er sich von
MoHas PC ausgeliehen und dann an Biery und seine Freaks weitergeleitet.
Bierys
Team hatte die Daten auf eine FireWire-Festplatte überspielt. Innerhalb eines
einzigen Tages hatten sie die Daten auseinandergepflückt und ihnen sämtliche Geheimnisse
entrissen. Darunter hatten sich auch Passwörter befunden, die wiederum den
Zugriff auf alle möglichen verschlüsselten Mitteilungen ermöglicht hatten.
Manche davon konnte der Campus über fünf Monate hinweg lesen, bis die
Passwörter routinemäßig wieder geändert wurden. Die Gegenseite hatte sich diesbezüglich
ausgesprochen sorgfältig verhalten, oder vielleicht waren ihre Leute auch von
jemandem trainiert worden, der mal bei einem echten Geheimdienst gearbeitet
hatte. Aber dann doch nicht sorgfältig genug: Die Passwörter wurden nicht
täglich und auch nicht wöchentlich geändert. Der Emir und seine Leute hatten
offenbar großes Vertrauen in ihre eigenen Sicherheitsmaßnahmen, eine
Illusion, die schon ganze Staaten in den Untergang geführt hatte. Kryptospione
konnte man auf dem Markt jederzeit anheuern, die meisten sprachen Russisch und
waren so bettelarm, dass sie jedes Angebot mit Handkuss annahmen. Die CIA hatte
ihren Gegenspielern sogar ein paar dieser Kryptotypen direkt vor die Nase
geschoben, die diese dann auch tatsächlich als Berater für den Emir angeheuert
hatten. Mindestens einer von ihnen wurde später unter einem Müllhaufen in
Islamabad gefunden; sein Hals war von einem Ohrläppchen zum anderen
aufgeschlitzt worden. Die Bandagen, mit denen man da draußen kämpfte, waren
eben doch recht hart, selbst für Profis. Jack konnte nur hoffen, dass sich
Langley angemessen um die Angehörigen des Getöteten
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