Clancy, Tom
aber etwas nicht wissen musste, würde
man aus dem Informationskreislauf ausgeschlossen bleiben. Das galt auch für den
Campus, der offiziell ohnehin aus sämtlichen Kreisläufen ausgeschlossen war.
Das war gewissermaßen ein Problem. Trotzdem waren sie immer wieder mit Erfolg
in die Informationsschleife geschlüpft. Die IT-Sektion im Campus wurde vom
Chefhacker Gavin Biery geleitet, einem Computerfreak der Superklasse, der
bislang noch keinem Verschlüsselungssystem begegnet war, das er nicht hätte
knacken können.
Biery, ein
ehemaliger Mitarbeiter von IBM, hatte zwei Brüder in Vietnam verloren und sich
danach entschlossen, in den Dienst der Bundesregierung zu treten. Talentscouts
waren auf ihn aufmerksam geworden; schließlich hatte man ihn für die Arbeit im
Hauptquartier der Nationalen Sicherheitsbehörde NSA in Fort Meade handverlesen,
dem größten Nachrichtendienst, der für die Überwachung, Entschlüsselung und
Sicherheit elektronischer Kommunikation zuständig war. Beim Gehalt hatte er
längst die höchste Besoldungsstufe erreicht, die ihm als leitendem und genialem
Regierungsbeamten zustand, und tatsächlich kassierte er nach wie vor eine recht
ordentliche Pension. Aber er liebte action und hatte
keine zwei Sekunden Bedenkzeit benötigt, als ihm das Angebot gemacht wurde, im
Campus zu arbeiten. Der Qualifikation nach war er Mathematiker, hatte seinen
Doktor in Harvard gemacht, wo er bei Benoit Mandelbrot persönlich studiert
hatte. Gelegentlich dozierte er noch am MIT und Caltech über sein
Spezialgebiet.
Biery war
Computerfreak durch und durch, bis hin zu der dicken Brille mit schwarzem Rand
und dem teigigen Gesicht, aber er sorgte dafür, dass das elektronische Instrumentarium
des Campus immer gut geölt blieb und die Maschinen störungsfrei surrten.
»Vorenthalten
von Informationen?«, fragte Brian. »Komm mir bloß nicht mit diesem
Schlapphutscheiß.«
Jack hob
beide Hände und zuckte die Schultern. »Tut mir leid.« Wie sein Vater gehörte
auch Jack Ryan jr. nicht zu den Leuten, die sich über Regeln hinwegsetzten.
Cousin oder nicht — über diese Sache musste Brian nichts wissen. Punkt.
»Hast du
dich nie über den Namen gewundert?«, fragte Dominic. »URC? Du weißt doch, wie
sehr diese Typen auf Doppelbedeutungen stehen.«
Interessanter Gedanke, dachte Jack.
Sie hatten
immer angenommen, dass der Umayyad-Revolutionsrat eine Erfindung des Emirs
gewesen sei. War er wirklich nur das, was er zu sein schien — ein weiterer
kaum verschleierter Bezug auf das altbewährte und viel bemühte Symbol des
Dschihad - Saladin -, oder war er mehr?
Saladin,
oder Salah ad-Din Yusuf bin Ayyub, wie sein voller Name lautete, wurde um 1138
in Tikrit im heutigen Irak geboren. Während der Kreuzzüge wurde er schnell zur
Leitfigur, zuerst bei der Verteidigung Baalbeks, dann als Sultan von Ägypten
und Syrien. Die Tatsache, dass seine kriegerischen Erfolge bestenfalls
durchwachsen waren, spielte in der muslimischen Geschichtsschreibung keine
große Rolle. Denn wie bei vielen anderen historischen Gestalten im Osten wie
im Westen war nur noch wichtig, wofür Saladin stand: Für die Muslime war er das
rächende Schwert Allahs, das unzählige gottlose Kreuzfahrer hingemetzelt hatte.
Wenn aus
dem Namen des URC überhaupt etwas abzuleiten war, musste es in dem Wort
Umayyad stecken, nach der Umayyaden-Moschee, vor der Saladins sterbliche
Überreste in einem Mausoleum ruhen. Das Mausoleum enthält einen
Marmorsarkophag, den der deutsche Kaiser Wilhelm II. gestiftet hatte, und einen
einfachen Holzsarg, in dem Saladins Gebeine noch heute liegen. Die Tatsache,
dass der Emir den Namen Umayyad als operatives Wort seiner Organisation gewählt
hatte, deutete nach Jacks Meinung darauf hin, dass der Emir den Dschihad als
den entscheidenden Wendepunkt ansah, genau wie auch Saladins Tod den Übergang
von seinem Leben voller Kämpfe und Leiden in das ewige Paradies kennzeichnete.
»Ich werde
mal darüber nachdenken«, sagte Jack. »Jedenfalls keine schlechte Idee.«
»Nicht nur
Stroh im Oberstübchen hier«, grinste Brian und klopfte sich mit dem
Zeigefinger an die Stirn. »Was macht dein Vater eigentlich jetzt mit all der
freien Zeit?«
»Weiß ich
nicht.« Jack verbrachte nicht viel Zeit zu Hause. Das hieß, sich mit seinen
Eltern zu unterhalten, und je mehr er über seinen »Job« erzählte, desto wahrscheinlicher
war es, dass sein Vater neugierig werden würde. Denn wenn der Senior
herausfand, was sein Sohn hier tat,
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