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Clara

Clara

Titel: Clara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koller
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Lautstärke auf. Dann begann ich mit meinen üblichen Verrichtungen.
Ohne sie dabei aus den Augen zu lassen. Nur ihre Gedanken und Empfindungen
konnte ich dieses Mal nicht erfassen.
    Sie starrte
gebannt zur Bildröhre. Ihr Vater trug ein schwarzes Jackett, weißes Hemd, rote
Krawatte. Er sah sehr schlecht aus. Als hätte er tagelang nicht geschlafen.
Ihre Mutter hatte eine dezent in Herbstfarben geblümte Bluse an. Darüber hing
eine schlichte Perlenkette. Ganz und gar nicht ihr Stil. Vermutlich war ihr
diese Kleidung angeraten worden. Freiwillig trug sie sie mit Gewissheit nicht.
Sie schien gelitten zu haben. Nie zuvor hatte Clara sie so menschlich gesehen.
Beinahe liebenswert.
    Ihr Vater
begann zu sprechen. Seine Stimme hörte sich abgekämpft an. Verzweifelt. Hatte
er etwa bereits die Hoffnung aufgegeben? »Ich heiße Kurt Bergmann. Neben mir
sitzt meine Frau Elisabeth. Meine Tochter Clara wurde an Heiligabend gegen
siebzehn Uhr vor unserem Haus in der Buchenstraße entführt .« Am rechten oberen Bildrand erschien ein Foto von Clara. »Da wir bis heute noch
keine Nachricht von Ihnen erhalten haben, bitten wir Sie, mit uns Verbindung
aufzunehmen .« Eine Zahl wurde eingeblendet: »0678-Sozialversicherungsnummer«.
Ihr Vater machte eine kurze Pause, dann sprach er weiter. »Wählen Sie hierfür
bitte die 0678 und anschließend die Sozialversicherungsnummer unserer Tochter.
Sie kennt sie auswendig. Wir nehmen Tag und Nacht Ihr Telefonat entgegen. Bitte
melden Sie sich. Bitte tun Sie unserer Clara nichts an. Lassen Sie sie bitte
frei. Clara ist noch so jung. Ihr ganzes Leben liegt noch vor ihr. Zerstören
Sie es bitte nicht. Wir werden auf jede Ihrer Forderungen eingehen .« Nun wurden weitere Fotos von Clara eingeblendet. Als
Baby. In der Kindheit. Als junge Frau. Im Kreise ihrer Familie und Freunde.
»Vielleicht haben Sie selbst einen lieben Menschen, den Sie nicht missen
möchten. Und der plötzlich verschwindet. Denken Sie daran, wie verzweifelt Sie
dann wären. Und dann wissen Sie auch, wie es uns gerade geht .« Ihr Vater sah nun eindringlicher als zuvor in die Kamera. »Ich appelliere an
Sie von Mensch zu Mensch. Bitte tun Sie ihr nichts an. Und behandeln Sie sie
bitte gut. Ich bin sicher, wir werden zu einer Lösung kommen. Einer Lösung, die
uns allen helfen wird.« Jetzt begann ihre Mutter zu sprechen. Ihre Stimme
schien beinahe zu ersticken. »Ich appelliere als Mutter an Sie. Denken Sie an
den Schmerz, den eine Mutter empfindet, wenn ihr das Liebste entrissen wird.
Denken Sie daran, wie sich Ihre Mutter fühlen würde. Also machen Sie bitte das
Richtige und geben mir meine Clara zurück. Bitte entscheiden Sie sich für das
Gute in Ihnen. So verzweifelt Sie auch sein mögen. Es gibt immer einen Ausweg .« Die Aufzeichnung brach ab. Für einen kurzen Moment. Dann
begann alles von Neuem . »Ich heiße Kurt Bergmann,
neben mir …«
    Ich hatte
inzwischen den Sessel zwischen Clara und den Fernseher gestellt und darauf
Platz genommen. Hatte jede ihrer Regungen beobachtet. Auch jetzt, wo ihr die
Tränen wie wild über die Wangen liefen. Sie begann zu schreien.
    »Machen Sie
das aus! Machen Sie das verdammt noch mal aus !«
    Ich tat so,
als würde ich sie aufgrund der großen Lautstärke im Raum nicht verstehen.
Zeigte in Richtung meiner Ohren und zuckte mit den Schultern. Sie brüllte
weiter. So lange, bis die Tränen alles erstickten. Ich verließ die Zelle und
sperrte ab. Die DVD lief weiter. Ich ging in die Schleuse und machte einen
tiefen Schluck aus einer dort deponierten Rotweinflasche. Es machte mir keine
Freude, sie so zu demütigen. Aber es musste ein für alle Mal klar sein, wer
hier das Heft in der Hand hielt. Ich wollte sie ganz bewusst gegen mich
aufbringen. Denn nur so würde sie bereit sein, den Einsatz zu erhöhen. Über sich
selbst zu springen. Und für einen Moment so zu sein, wie sie sich mich
wahrscheinlich vorstellte. Als Tier, das seine niedersten Instinkte
befriedigte.

 
    4

 
    Als ich
wieder ins Verlies trat, hatte Clara zu weinen aufgehört. Sie blickte zu Boden
und murmelte etwas vor sich hin. Ich konnte nichts davon verstehen. Also rückte
ich ganz dicht an sie heran. Da verstummte sie. Ich zog den Schlüssel aus
meiner rechten Hosentasche und öffnete die Handschellen. Augenblicklich drehte
sie sich um und schlug mit geballten Fäusten gegen meine Brust. Ich ließ sie
gewähren, genoss diesen heftigen Gefühlsausbruch und auch die Schmerzen, die
langsam meinen Körper

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