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Clara

Clara

Titel: Clara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koller
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große
weiße Ratte laufen. Clara wurde hysterisch. Na bitte! Ich hatte von ihrer
Aversion gegenüber derlei Getier gelesen. Mäuse, Ratten, Schlangen, Spinnen.
    »Nehmen Sie
dieses verdammte Vieh weg! Bitte!« Ihre Stimme überschlug sich förmlich. Ich lachte.
Es war zu grotesk. Sie war so viel größer als diese Ratte. Und doch war sie in
der Defensive. Eigentlich hätte die Ratte schreien müssen. Doch die rannte nur
interessiert herum und erkundete das ungewohnte Gelände. Und Clara schrie und
schrie. Mein Lachen verstummte. Das war nun wirklich zu dumm.
    »Hören Sie
auf !« , brüllte ich sie an. Sie erschrak. Ich
reduzierte die Lautstärke. »Das ist doch nur eine Ratte aus der Zoohandlung.
Die tut Ihnen nichts. Sie wird Ihnen hier ein wenig Gesellschaft leisten .« Clara stand wie angewurzelt da. Ich blickte sie süffisant
an. »Damit Sie nicht nur während meiner Besuche von Ratten umgeben sind.
Gewöhnen Sie sich daran. Es wird noch Ratten geben, wenn die menschliche Pest
schon lange von diesem Planeten verschwunden ist. Also erfreuen Sie sich an
unserer Zukunft .«
    Ich ging
zurück zur Schleuse und ließ Clara mit ihrem neuen Kameraden alleine. Zum
Abschied sprach ich sie nochmals an. »Sie sind mir für das Tier verantwortlich.
Übrigens, Ratten sind Allesfresser .«
    » So wie
Dein Vater «, dachte ich bei mir.

Kapitel 8 –
Flucht

 
    1

 
    Die ersten
Tage waren unangenehm gewesen. Ständig raschelte und kratzte es im Raum. Vor
allem nachts, wenn diese unheimliche Stille plötzlich unterbrochen wurde.
Nachts, wenn sie nicht wusste, wo die Ratte sich gerade aufhielt. Unterm Tisch?
In der Toilette? Im Bett? Erst nach und nach hatte Clara etwas die Furcht
verloren.
    Die Ratte
verputzte die Essensreste und ließ allerorts ihre Fäkalien fallen. Clara blieb
keine Wahl. Sie musste diese wieder wegmachen. Wie sehr sie der Ekel auch
erfüllte. Michael hielt ständig etwas für sie parat. Ständig rührte er an ihrem
Innersten. Versuchte, sie ihrer Persönlichkeit zu berauben. Versuchte, sie zu
erniedrigen, zu demütigen, wo es nur ging. Zu Beginn beschränkte sich das auf
psychische Belastung. Auf verbale Herabsetzung. Er schürte die Existenzangst in
ihrem Geist.
    Nun war er
weitergegangen. Hatte einen neuen Faktor ins Spiel gebracht. Eine Ratte, vor
der sie sich ekelte. Und dennoch mit ihr leben musste. Ja, noch mehr. Sie
versorgen und die Scheiße hinter ihr wegräumen. Was würde als Nächstes kommen?
Ein sexueller Übergriff, vor dem sie sich am allermeisten fürchtete? Oder
weitere Tiere. Immer größer werdend. Und immer tödlicher. Skorpione, Taranteln,
Schlangen. Er schien zu allem fähig. Seine höfliche
Fassade bröckelte.
    Wie lange
konnte das noch gut gehen? Es musste etwas geschehen. Und zwar bald. Und sie
hatte bereits einen Plan. So gefährlich er auch war, sie musste dieses Risiko
eingehen. Ansonsten würde sie hier sterben. Dessen war sie sich sicherer denn
je.

 
    2

 
    Ich saß im
Wohnzimmer auf der Couch. Meine beiden Katzen schnurrten um mich herum. Meine
letzten beiden treuen Gefährten. Ich durchkämmte mit meinen Fingern ihr Fell,
kraulte sie am Bauch, kitzelte sie unterm Maul. Ich kam zur Ruhe. Nahm einen
tüchtigen Schluck aus der Rotweinflasche und dachte nach.
    Es war bald
Mitternacht. Die Arbeit hatte einmal mehr früh begonnen und sich schier endlos
hingezogen. Die Arbeit, die mir immer mehr die Kräfte raubte. Und letztlich
auch den Verstand. Es war an der Zeit, dem endlich zu entfliehen. Nach der
zehnstündigen Maloche hatte ich mich auf den Weg nach Tschechien gemacht. Neue
Besorgungen waren nötig gewesen. Jenseits der Grenze, wo man keinerlei Notiz
mehr von mir nahm. Wo ich anonymer als anonym war. So, als würde ich langsam
von selbst verschwinden. Mich im Brei der Menschen auflösen. Weder wollte noch
konnte ich dagegen ankämpfen. Ja, es kam mir sogar sehr zupass. Denn wer würde
schon einen Geist mit einer Entführung in Zusammenhang bringen? Selbst wenn er
ein riesiges Schild trug, das diese Absicht kundtat. Es würde nicht gesehen
werden. Denn die Menschen hatten aufgehört, sich für ihre Umgebung zu
interessieren. Für die Leute, die ihnen begegneten. Für ihre Nachbarn. Jeder
trug Scheuklappen. Wühlte durch den Dreck auf der Suche nach ein bisschen Geld.
Und vielleicht auch ein wenig Glück. Da störte das Wehklagen anderer bloß.
    Also hob man
die Beine und stieg darüber hinweg. Ich war froh, als ich wieder heimkehrte. In
meine eigenen vier Wände. Weit

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