Clara
Wiener Polizei am gestrigen Abend bekannt gab, erlitt der vor
einigen Tagen mit starken Herzbeschwerden ins Augustinerspital eingelieferte
Großindustrielle Kurt Bergmann einen schweren Rückfall und erlag einer
neuerlichen, weitaus heftigeren Attacke. Seit dem Bekanntwerden der Entführung seiner Tochter Clara an Heiligabend war Bergmann gemeinsam mit
seiner Frau immer wieder vor die Kamera getreten, um Kontakt mit dem oder den
Entführern aufzunehmen. Zuletzt wurde auch ein FBI-Profilerteam eingeschaltet. Bislang jedoch ohne jeden Erfolg. Die laufenden Rückschläge
während der intensiven Ermittlungen hatten an der Substanz des besorgten
Familienvaters genagt, was schließlich zur Spitalseinlieferung führte. Dieser
erschütternde Fall bekam gestern eine noch weitaus dramatischere Wendung. Denn
nach Darstellung der Behörden handelt es sich beim Ableben von Kurt Bergmann um
ein gezieltes Attentat aus dem unmittelbaren Täterkreis. Demnach erhielt
Bergmann eine als Genesungsgeschenk getarnte DVD, die in Wirklichkeit die
Vergewaltigung und Ermordung seiner Tochter zum Inhalt hatte. Dieser Schock war
für das geschwächte Herz des Unternehmers zu viel, und er erlitt einen schweren
Anfall. Auch sofort eingeleitete Rettungsmaßnahmen blieben angesichts der
Stärke des Kollapses wirkungslos. Kurt Bergmann verschied nach wenigen Minuten.
Der als Frank-Sinatra-DVD getürkte Film wurde
genauestens untersucht und mittlerweile als gestellte Aufnahme entlarvt. Diese
Nachricht und die damit verbundene begründete Hoffnung, dass Clara Bergmann
noch am Leben ist, kommt für den verzweifelten Vater freilich zu spät. Der bekanntgebende Polizeisprecher äußerte sich bestürzt über
die Heimtücke dieser Tat, die als minutiös geplanter Anschlag auf Kurt
Bergmanns Leben gewertet wird. Über weitere Details hüllte man sich aus
ermittlungstechnischen Gründen in Schweigen. Trotzdem bleibt die Frage, warum
dieser Film an Herrn Bergmann ausgehändigt wurde. Versagte die
Kontrolltätigkeit der Polizei? Oder handelte es sich um eine vollendete
Fälschung? Fragen, die vorläufig keine Antworten zulassen. Genauso wenig wie
jene nach den(m) Täter(n). Nur eines ist in diesem Fall nun völlig klar. Wer
immer in dieser Angelegenheit die Fäden zieht, ist noch viel gefährlicher, als
das bis dato angenommen wurde. Weiteres zum Fall Bergmann im Blattinneren. «
Clara
vergrub den Kopf in ihren Händen. Dann sprang sie auf. Knüllte die Zeitung zu
einem Ball und schleuderte ihn gegen eine der beiden Kameras. Gefolgt von einem
ganzen Schwall an Flüchen. Das Licht ging aus. Der Heizlüfter stoppte. Die Welt
hatte wieder aufgehört, sich zu drehen. Doch Clara war das in diesem Moment
egal. Ihr ganzer Körper war erfüllt von Trauer über den Tod ihres Vaters. Sie
sank zu Boden und umfasste die nahen Gitterstäbe. Leise murmelte sie vor sich
hin.
»Ich werde
dich rächen, Papa. Das schwöre ich .« Ihre Augen
blieben trocken. Und ihr Gesicht verhärtete sich, während sie in die Dunkelheit
hineinstarrte. Selbst Jerry blieb ihr in diesem Augenblick fern.
Kapitel 10 –
Bewaffnung
1
Zehn Tage
waren seit meiner letzten Begegnung mit Clara vergangen. Oder waren es zwölf?
Ich wusste es nicht mehr. Die Tage hatten einander geglichen. Wie ein Ei dem
anderen. Nichts war mehr real. Nur Clara, ihre Trauer und die laufenden
Berichte über ihre Entführung. Vor dem Video war die Berichterstattung etwas
abgeklungen. Nun aber stand Clara Bergmann wieder ganz oben bei den täglichen
Redaktionsmeetings. Und es wurde einiges unternommen, um besagten Film in die
Hände zu bekommen. Die Polizei wies das stets zurück. Dennoch. Der Tag würde
kommen. Waren erst einmal die richtigen Leute kontaktiert, stand nur mehr die
Höhe der Börse im Weg. Und darüber war man sich noch immer einig geworden. Ja,
die Medienleute wussten zu überzeugen. Die Haut anderer Leute ließ sich stets
bequem zu Markte tragen. Ich überlegte kurz, vielleicht einmal eine Reporterin
zu entführen. Oder eine bekannte Moderatorin. Ich war mir der Solidarität der
werten Kollegen gewiss. Aber wozu? Nach Clara würden keine Entführungen mehr
nötig sein. Und ich verstand mich nicht als Berufsverbrecher. So sehr einige
der Leute, die täglich über die geliebten Bildschirme huschten, meine
Aufmerksamkeit auch verdient hätten. Nein, ich war kein Gewaltmensch. Ich hatte
nur eine Mission zu erfüllen. Meine Mission. Weiter nichts.
Ich trank
den Rotwein direkt aus der Flasche,
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