Clara
schloss die
Stahltür hinter mir. Wenn sie nur gewusst hätte, wie nah sie gerade wieder war.
Wie nah dran, dem hier zu entfliehen. Ich setzte mich auf den Boden. Sackte
zusammen. Außerstande, die Leiter hochzusteigen. Vielleicht wäre es besser
gewesen, hier einfach sitzen zu bleiben und auf den Tod zu warten. Aber ich
musste weiter. Musste meine Mission erfüllen.
3
Ich war
Franz Burger jeden Tag gefolgt. In diskretem Abstand. Unsichtbar und doch stets
präsent. Burger war gegenüber seiner Familie ein Tyrann, der sich nur bei
seinen beiden Jungs etwas milder zeigte. Frau und Tochter waren bloß Abfall.
Ähnlich verhielt es sich auch bei seinen Angestellten, die den Hof
bewirtschafteten. Außer dem Vorarbeiter konnte niemand mit menschlichen
Umgangsformen rechnen. Ja, Burger war ein Mann des Geldes und der Gewalt. Eine
Mischung, die wahre Scheusale zutage beförderte. Ich war ihm bei diesen
Beschattungen oft so nahe gewesen, dass ich öfters den Drang verspürt hatte,
mich zu deklarieren. Doch ich musste es unterlassen. Denn ich konnte mich und
mein Vorhaben nicht gefährden. Burger sollte schließlich büßen. Nicht für die
Schandtaten, die er tagtäglich beging. Die gingen mich nichts an. Nein, Burger
sollte für all die Frevel, die er gegen mich und die Meinen gerichtet hatte,
bezahlen. Und er war der ideale Einsatz in einem Spiel, das noch weitaus höhere
Ziele verfolgte.
4
Als ich Marli inmitten des Waldes beerdigt und sie so in den
Kreislauf der Natur zurückgeführt hatte, war wieder ein Teil von mir gestorben.
Meine Katze Rosi war nun die letzte lebende Verbindung zu meiner Frau. Wenn
diese Katze ging, würde es auch für mich an der Zeit sein, mein Schicksal
aufzusuchen und mein Versprechen einzulösen. Daran musste ich denken, während
ich im Wagen saß. Ich entsann mich an den heutigen Besuch von Burger bei mir
daheim. Jenen Besuch, der mich hierhergeführt hatte.
Franz Burger war vormittags bei mir erschienen. Eher als Eroberer denn als
unangekündigter Gast. Nachdem er durch heftiges Klopfen an der Tür seinen
Einlass erzwungen hatte, war er ohne Umschweife zur Sache gekommen.
»Mir ist zu
Ohren gekommen, dass du deinen Job verloren hast«, hatte er mir eröffnet. Da
ich seine Quellen und seine Zuflüsterer kannte,
machte es kaum Sinn, dem zu widersprechen. Darum hatte ich salopp geantwortet.
»Ich freue
mich über deine Anteilnahme. Bist du etwa gekommen, mir einen neuen anzubieten ?« Die Glut flackerte in seinen Augen. Er überging meine
Worte. Offenbar war er nicht gekommen, um sich mit mir zu messen. Er hatte es
eilig.
»Du hast
also derzeit keine Arbeit. Und dein Haus muss wegen der Brandschutzordnung
renoviert werden. Um die Kosten dafür zu decken, bin ich bereit, dir zu helfen .« Ich hatte laut aufgelacht. Er war wirklich gut. Spielte ganz
den großen Gönner.
»Dafür danke
ich dir wirklich aufrichtig«, hatte meine Erwiderung begonnen. »Aber dafür ist
es jetzt wohl zu spät. Oder warst es nicht du, der diese Renovierungen erst
angeordnet hat ?« Erneut war Ungeduld in seinem Blick
aufgetaucht.
»Das Haus
entspricht nun einmal nicht mehr den Standards. Und die habe nicht ich erfunden .« Er war ganz in seinem Element gewesen. »Aber keine Sorge.
Nicht dass ich es wirklich bräuchte, aber dein Grundstück beim Wald wäre
eigentlich ein ganz brauchbarer Abstellplatz für meinen Fuhrpark. Wert ist es
nicht viel, aber da ich mich für die Leute im Dorf verantwortlich fühle, biete
ich dir an, die nicht unerheblichen Kosten für die Sanierung des Hauses zu
übernehmen. Als Gegenleistung müsstest du mir bloß diesen Kaufvertrag hier
unterschreiben .« Er hatte dabei ein mehrseitiges
Dokument aus der Innentasche seines Sakkos gezogen. Ich würdigte es keines
Blickes. Stattdessen berührte ich ihn mit meiner offenen Handfläche leicht an
seiner Schulter und wies ihm so den Weg in Richtung Ausgang.
»Tut mir
leid, Franz .« Dieses Mal war meine Häme ganz
offensichtlich. »Aber ich habe genug auf der hohen Kante. Darüber mach dir mal
keine Sorgen. So eine kleine Renovierung ist doch ein Klacks. Wir sind
schließlich keine Bettler. Nicht wahr? Trotzdem vielen Dank für deine Mühe.«
Ehe er etwas erwidern konnte, war die Tür ins Schloss gefallen. Noch jetzt
versuchte ich, mir sein dummes Gesicht vorzustellen. Aber ich wusste auch, dass
er nicht aufgeben würde. Dazu hatte er sich schon viel zu sehr in diese Sache
verbissen. Und er duldete keine Misserfolge. Wenn er
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