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Clara

Clara

Titel: Clara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koller
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Courage,
ansonsten würden Sie es ja selbst tun. Ich werde nicht für Sie hier verrecken.
Dazu müssen Sie sich schon einen anderen Dummen suchen .« Ihre Augen funkelten in meine Richtung. » Oh, du wirst es tun ! « , dachte ich
bei mir und grinste vor mich hin. Ich erkannte sofort, wie sehr sie dieses
Grinsen missbilligte.
    »Wie ich aus
Ihren Aussagen schließe«, begann ich, »sind Sie zur Überzeugung gelangt, dass
ich Sie auserkoren habe, mich zu töten. Vorweg eine Erklärung. Wie Sie
vielleicht wissen, bin ich ein gläubiger Mensch . Und
als solchem wäre es mir verboten, eine derartige Angelegenheit in meine eigene
Hand zu legen .« Bevor ich fortfahren konnte,
unterbrach sie mich.
    »Ach hören
Sie mir bloß mit Ihrem Glauben auf! Was Sie hier tun, widerspricht all dem, was
die Religion lehrt. Was spielt da ein Selbstmord noch für eine Rolle ?« Dieses Mal begann sie zu grinsen. Verpasste mir damit
eine regelrechte Ohrfeige. Sie setzte meine Waffen gegen mich selbst ein. Ja,
es funktionierte. Sie war im Glauben, hier die Oberhand zu haben. Ich
unterdrückte ein Schmunzeln.
    »Sie raten
mir zum Selbstmord? Nicht sehr klug, oder?« Ich musterte sie. Sie hatte sich
mal wieder zu weit aus dem Fenster gelehnt. Und diese Erkenntnis überkam sie
nun. »Und was meinen Sie, wenn Sie von meinem Glauben sprechen? Es ist doch
auch der Ihre. Oder etwa nicht?« Ich gab ihr zu erkennen, dass ich auf diese
Frage keine Antwort erwünschte. »Sie haben Gott angerufen, als ich die Pistole
auf Sie richtete. Und das war nicht nur so dahingeplappert. Ansonsten hätten
Sie ›verdammt‹ oder vielleicht ›verflucht‹ gesagt .« Ich machte eine kurze Pause. Dann sprach ich weiter. »Lassen Sie es zu. Gott
ist in Ihnen. Genauso verschüttet, wie er auch in mir verschüttet ist. Aber
doch da. Sie müssen es nur wollen. Dann wird es auch leichter. Glauben Sie mir .« Ich merkte, wie die Gedanken in Clara ratterten. Ich
kehrte zum Ursprung unseres Gespräches zurück. »Die Waffe stellt nur eine
Option für Sie dar. Sie ist nicht als mein Henkersbeil gedacht. Wenngleich ich
zugeben muss, dass es mich nicht stören würde. Nein, sie ist vielmehr Ihr
Henkersbeil, wenn Sie versagen sollten !« Jetzt spürte ich,
wie Clara der Atem stockte. Henkersbeil! Versagen! Der Schrecken stand ihr einmal mehr ins Gesicht geschrieben. Clara stand
auf. Die Pistole fest in den Händen.
    »Eine
Patrone also für mich. Und eine für Sie«, stellte sie fest. »Aber für wen ist
die dritte bestimmt ?« Sie sah mich fragend an. Die
Kälte hatte sie wieder völlig umschlossen.
    »Für eine
Ratte«, gab ich zur Antwort.

 
    3

 
    Der Gang war
dunkel. Fast bedrückend. Vor den zahlreichen Türen waren kleine Sessel
platziert. Zahlreiche Menschen saßen darauf und flüsterten sich gegenseitig zu.
Auch ich hockte auf einem dieser Stühle. Das Arbeitsamt war die Endstation. Wer
hier landete, hatte bereits alles hinter sich. Miese Jobs, miese Chefs, miese
Bezahlung. Wie vorhergesagt, war auch ich hier gestrandet, nachdem man mich
wegrationalisiert hatte. Doch eigentlich spielte es keine Rolle mehr. Ich hatte
nicht vor, mich vermitteln zu lassen. Ich hatte andere Pläne. Und dafür kam mir
der Rauswurf aus der Molkerei sogar zupass. Die paar Euros Arbeitslosenunterstützung
würden reichen. Zudem hatte ich noch ein paar Ersparnisse. Und keinerlei Erben,
die ich bedenken musste. Niemanden, dem meine jämmerliche Hinterlassenschaft
etwas bedeuten würde.
    Die Tür ging
auf, und mein Name wurde forsch, ja wütend, aufgerufen. Na bitte. Das machte
die zwei Stunden Wartezeit glatt wett. Ich trat ein und nahm auf dem mir
zugewiesenen Stuhl Platz. Das Zimmer war kahl. Schmucklos. Bloß Akten,
Schreibtisch und Computer. Es erschien mir so, dass auch der Sachbearbeiter zum
Computer geworden war. Grau, gesichtslos, unpersönlich. Ich kannte ihn vom
Sehen her. War ihm ein paar Mal, als ich mit Sarah noch in Mürren wohnte, über den Weg gelaufen.
    Er tippte
meine Daten von der schriftlichen Kündigung ab, errechnete den Betrag, der mir
pro Tag zustand und füllte eine Meldekarte aus. Ich musste in drei Wochen
wieder hier erscheinen. Das war die übliche Schonfrist. Danach begann der
Vermittlungsprozess. Zuerst warteten schäbige kleine Unternehmen, die ihre
Arbeiter ohnehin nicht bezahlten. Dann folgten die Sklavenhändler. Ich würde
gewappnet sein. Schließlich gab es einen einfachen Trick, dem elegant zu
entgehen. Krankmeldung. Und mein Arzt war einer der letzten

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