Clara
zu seiner Limousine, die er im Hinterhof geparkt
hatte. Ich startete den Motor und wendete. Ich hatte genug gesehen und wusste
nun, wo er verkehrte, wenn ihn der Drang überkam. Und wie lange. Es machte
heute keinen Sinn mehr, ihn weiter zu verfolgen. Wahrscheinlich begab er sich
ohnehin schnurstracks nach Hause. Ich fuhr zurück auf die Hauptstraße. Vorbei
an den zahlreichen Prostituierten, die in aufreizender Kleidung auf nächtliche
Kundschaft warteten. Möglicherweise gönnte Burger sich ja doch noch ein
Abenteuer. Na dann, viel Spaß. Ich hatte genug von hier. Eine Blondine winkte
mir zu. Aber ich hatte schon eine Blondine. Und die würde bald ein etwas
bizarres Geschenk erhalten.
2
Ich saß mit
gesenktem Haupt auf dem Klappsitz. Die Tränen standen mir in den Augen. Clara musterte
mich wie üblich sehr aufmerksam. Suchte nach Indizien dafür, ob ich den
Zellenschlüssel bei mir hatte. Die Pistole lag am Tisch. So wie immer. Erst
nach und nach schien sie die Veränderung in mir zu bemerken. Die Menschen waren
immer zuerst auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Der Instinkt zu überleben
steuerte alles. Clara hatte es in einem unserer Gespräche auf den Punkt
gebracht. Die Welt war, wie sie war. Daran war nichts zu ändern. Liebe deinen
Nächsten. Welch noble Phrase. Welch illusorische Forderung, die selbst die
Prediger nicht erfüllten. Liebe dich selbst. Das war das Gebot der Stunde. Von
Anbeginn der Zeitrechnung. Und zerfleische deinen Nächsten. Wie das Tier, das
wir verunglimpften und das doch in allen von uns steckte. Auch in Clara. So sehr
sie diesen Gedanken auch von sich schob. Nun, ich würde es ihr beweisen. Ich
vergrub das Gesicht in meinen Händen. Clara sprach mich an.
»Was ist mit
Ihnen los ?« , fragte sie. Ich atmete tief durch.
Versuchte, jede Erschütterung von mir wegzuwischen. Versuchte, wieder zu Stein
zu werden. Doch es gelang mir nicht. Langsam hob ich mein Haupt. Blickte in ihr
Gesicht. Erkannte den Ausdruck. Enttarnte die gespielte Besorgnis, hinter der
unendliche Schadenfreude sich verbarg. Doch in diesem Moment war es mir egal.
Ich wollte nicht alleine sein. Wollte meinen Kummer mit jemandem teilen. Wollte
sprechen, wollte menschliche Nähe spüren. So kalt und abweisend sie auch sein
mochte. Alles war besser, als jetzt alleine zu sein. So nichtig der Grund für
viele auch erscheinen mochte. Zumindest bei Clara war keine offene Häme zu
erwarten. Nicht angesichts der Situation, in der sie sich befand. Ich erklärte
ihr, was los war.
»Ich habe
heute morgen meine Marli tot aufgefunden«, begann
ich. Clara blickte mich etwas verwirrt an. » Marli war
eine meiner beiden Katzen. Sarah und ich hatten sie als Baby im Müll gefunden.
Irgendein Monster hatte sie einfach weggeschmissen. Wir haben sie unter großen
Schwierigkeiten aufgepäppelt. Es ist lange schlecht um sie gestanden. Aber wir
haben sie durchgebracht. Das war vor über fünfzehn Jahren. Und heute ist sie
tot in ihrem Körbchen gelegen .« Ich kämpfte vergeblich
gegen die Tränen an. Clara sah mich mitleidig an. Aber ich konnte auch die
Genugtuung verspüren, die sie innerlich empfand. Ich verübelte es ihr nicht.
Schließlich war ihr Vater tot. Durch mein Zutun. Und ich beweinte hier eine
tote Katze. Aber sie behielt es für sich. Stattdessen erkundigte sie sich nach
dem Befinden meiner anderen Katze. Darüber war ich wirklich sehr dankbar.
»Rosi geht
es ganz gut. Aber sie wird Marli vermissen. Jetzt, wo
sie ganz alleine ist.« Ja, Rosi ging es wie mir. Sie würde nach ihrer Gefährtin
rufen. Und nie wieder eine Antwort erhalten. Ich hoffte, dass sie ihr bald
nachfolgen würde. Genauso, wie ich es für mich selber hoffte. Ich stand auf und
ging direkt vor die Gitterstäbe.
»Ich danke
Ihnen, dass Sie diese Situation nicht ausnutzen. Grund genug hätten Sie. Das
ist wirklich sehr großmütig von Ihnen .« Clara nahm
ihre Ratte auf und strich über das glänzende Fell.
»Ich weiß,
wie es ist, wenn man jemanden verliert, den man liebt. Dank Ihnen weiß ich das.
Aber das macht im Moment nichts aus. Der Verlust, ob nun Mensch oder Tier,
hinterlässt genug Narben. Darüber sollten Sie einmal gründlich nachdenken. Der
Tod erscheint nur allzu oft. Lassen Sie ihn nicht noch weiter in Ihr Herz. Denn
dann wird er Sie endgültig zerstören. Genauso, wie es Ihre Rache bereits tut.«
Clara ging zum Vorratsschrank, um etwas für ihr Mittagessen herauszusuchen. Sie
hatte mich überrumpelt. Wortlos ging ich in die Schleuse und
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