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Clara

Clara

Titel: Clara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koller
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sich die
Augen. Als sie mich sah, sprang sie sofort auf. Etwas Warnendes, Bedrohliches
lag offensichtlich in meinem Gesicht. Sie holte die Pistole. Ich schritt ganz
nahe ans Gitter und holte die Handschellen aus meiner Jackentasche. Mit meinen
Fingerspitzen berührte ich den Zellenschlüssel. Eine Ladung Adrenalin
durchströmte meinen Körper. Mit einem Mal war ich stark erregt. Beinahe wie in
Ekstase. Äußerlich wirkte ich aber weiterhin völlig ruhig. Clara nahm die Waffe
auf und begann, mich zu taxieren.
    »Was wollen
Sie hier mitten in der Nacht? Was ist nun schon wieder ?« Dann stellte sie die unvermeidbare Frage. »Haben Sie den Schlüssel dabei ?« Ihre Augen wurden finster.
    »Finden Sie
es heraus«, gab ich zurück. Clara musterte meine Kleidung. Suchte nach
irgendeinem Anhaltspunkt. Nach irgendeiner erhabenen Stelle. Ich hielt die
Handschellen hoch. Clara machte keinerlei Anstalten, dieser Aufforderung
nachzukommen. Ich musste sie eben überzeugen.
    »Es ist
leider etwas Unvorhergesehenes passiert«, begann ich meine Erklärung. »Gerade
hat mich ein Anruf erreicht. Meine Tante Silvia ist schwer erkrankt. Sie lebt
in Krems und hat mich gebeten, zu ihr zu kommen. Sonst hat sie niemanden mehr.
Ich fahre noch heute Nacht. Und werde wahrscheinlich
einige Tage bei ihr bleiben. Seit meiner Kündigung habe ich ja jede Menge Zeit.
Darum bringe ich Ihnen schon jetzt die neuen Vorräte .« Ja, ich war schon immer ein vortrefflicher Lügner gewesen. Clara legte die
Pistole ab und kam auf mich zu. Ja, die arme Tante Silvia. Möge sie in Frieden
ruhen. Wer immer sie auch war. Clara streckte mir ihre Hände entgegen, und ich
legte die Handschellen an. Dann begann ich, sie anzugrinsen.
    »Versuchen
Sie, in meine Seele zu blicken«, sagte ich zu ihr, während ich den Schlüssel
aus der Tasche zog und mich zur Gittertür begab. »Und glauben Sie nicht alles,
was man Ihnen erzählt .« Ich schloss auf, ließ die Tür
offen stehen und ging retour in Richtung Schleuse. Clara fauchte mich an. Sie
war wütend. Womöglich mehr auf sich selbst als auf mich.
    »Wo soll ich
da hinblicken ?« , keifte sie. »Wenn Sie doch gar keine
Seele haben .« Ich ignorierte diese Anfeindung. Denn in
ein paar Sekunden schon würde sie andere Sorgen haben. Sorgen, die selbst ihre
schrecklichsten Alpträume in den Schatten stellen würden.

 
    6

 
    Als ich
Burger hereinschleppte, verstummten ihre Tiraden augenblicklich. Für einen
Moment war sie wie gelähmt. Dann wurde sie nervös. Ich blickte ihr laufend ins
Gesicht, während ich mich mit meinem neuen Gast abmühte. Clara zerrte an den
Handschellen. Doch es war vergeblich. Ganz im Gegenteil. Der Druck stieg bei
jeder neuen ruckartigen Bewegung. Ich beobachtete, wie ihre Hände langsam weiß
wurden. Endlich hatte ich Burger in der Zelle. Ich ließ ihn vorm Vorratsschrank
liegen, versperrte die Gittertür und brachte den Schlüssel in die Schleuse.
Clara war panisch.
    »Wer ist
das? Warum bringen Sie ihn hierher ?« Sie starrte mich
mir weit aufgerissenen, angsterfüllten Augen an. »Was haben Sie ihm angetan ?« Und dann das, was sie wirklich interessierte. Ihr eigenes
Fortkommen. »Hier ist kein Platz mehr. Für mich ist es ja schon unerträglich.
Und jetzt zu zweit. Wie stellen Sie sich das vor ?« Ich
sah ihr eindringlich in die Augen.
    »Dieses
Problem können Sie ganz leicht von selbst lösen .« Ich
deutete auf die Waffe, die am Tisch lag. Clara verstand sofort.
    »Ich soll
ihn töten? Für Sie? Das können Sie doch nicht wirklich von mir verlangen. Und
das werde ich auch nicht tun !« Oh doch, das wirst
du . Aber ich behielt diesen Gedanken bei mir. Stattdessen gab ich eine
Erklärung ab. Die Spielregeln, wenn man so wollte. Völlig nüchtern und neutral.
    »Der Mann
hier heißt Franz Burger. Ein wohlhabender Bauer aus dem Ort. Und ein wahrer
Grobian. Frauen betrachtet er als Ware. Als Fleisch, an dem er seine Gelüste
befriedigt. Aber Sie haben eine gute Chance. Sie haben eine Waffe. Und ich rate
Ihnen, diese auch einzusetzen .« Ich machte eine kurze
Pause, um meine Worte erst einmal wirken zu lassen. Dann sprach ich weiter.
»Burger wird keine Rücksicht auf Sie nehmen. Er wird Sie aus Ihrem Bett
vertreiben, Ihnen kein Essen geben. Und er wird Sie vergewaltigen. Schon sehr
bald. Ich kenne diesen Herrn, als hätte ich ihn selbst gemacht, wenn Sie diesen
Vergleich erlauben. Er ist rücksichtslos. Er wird darauf vertrauen, hier
irgendwie rauszukommen . Und erst einmal

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