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Clara

Clara

Titel: Clara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koller
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vorbereitet gewesen.
Hatte die Regale in der Hütte längst entfernt und die Vorhänge zum besseren
Einblick offen gelassen. Denn ich wusste, dass sie kommen würden. Zu diesem
Zweck hatte ich selbst den Stromkasten am Tor abmontiert. Und die Hütte
sukzessiv neu eingerichtet. Mit einer alten, wurmstichigen Bauerntruhe auf der
Bodenklappe. Nichts deutete auf die Existenz eines Kellerraumes hin. Aber die
Spuren deuteten dort hin, wo sie auch hindeuten sollten. Jenseits der Grenze,
wo Burgers Fährte sich ebenso schnell finden wie sie sich auch wieder
verflüchtigen würde. Und letztlich dort endete, wo alles begann. In einem
Keller, wo er das Entführungsopfer Clara Bergmann geschändet hatte.

 
    4

 
    Ich hatte
das Haus schneller verkauft als gedacht. Ein widerlicher, kleiner Geschäftsmann
aus Sankt Pölten hatte es zu einem guten Preis erstanden. Er suchte einen
Ausgleich an den Wochenenden. Wollte alles selbst renovieren. Zurück zum
Ursprung. Sich finden in dieser rauen, wilden, mystischen Natur, die sich
jenseits des Dorfes offenbarte.
    Ich war
davon überzeugt, schon in kürzester Zeit den Wagen einer Baufirma vor meinem
ehemaligen Besitz stehen zu sehen. Voll gepackt mit illegalen Arbeitern aus dem
Osten. Letztlich würde sein Ausgleich sich darauf beschränken, im Haus
herumzulungern und alles und jeden zu kritisieren. Einschließlich seiner
Familie, die er zweifelsohne hatte. Schließlich hatte jeder dieser Hohlköpfe
eine Familie. Sie empfanden sie als Klotz am Bein. Flüchteten sich in Affären,
in den Alkohol, in den Heilsbringer Kokain. Wünschten Frau und Kinder zum
Teufel und taten doch immer weiter. Wahrten den Schein, während ihnen täglich
das Messer über die Kehle gezogen wurde. Firma, Familie, Mittelklassewagen,
Stadtwohnung, Häuschen auf dem Land. So schritten die Unteroffiziere der Wirtschaft
durchs einundzwanzigste Jahrhundert. Blind wie Fledermäuse. Ich war froh, einen
Käufer gefunden zu haben. Der Rest war nicht mehr meine Sache. Nachdem das Geld
auf meinem Konto eingetroffen war, hatte ich mich aus dem Staub gemacht. Nur
mit meinem Laptop, meiner Katze Rosi, etwas Kleidung und einigen wenigen
Habseligkeiten im Gepäck. Um den Rest konnte sich ruhig der neue Hausherr
kümmern.
    Im Wirtshaus
hatte ich verkündet, mir eine kleine Wohnung im nahen Mürren genommen zu haben. In Wahrheit war ich aber in die Hütte eingezogen. Parterre.
Es war Anfang Juli, und die Vegetation hatte ganze Arbeit geleistet.
Verschluckte beinahe mein kleines Domizil. Meine letzte Station vor dem, was
niemand je begreifen würde.
    Ich hatte
dem Sankt Pöltner auch mein altes Auto untergejubelt
und bewegte mich daher mit dem Pritschenwagen fort. Was selten genug war. Ich
hatte alles, was ich brauchte. Außer menschlicher Wärme. So nah diese auch war.
Es war ein komisches Gefühl, ständig über ihr zu sein. Und doch hatte ich kein
Bedürfnis, mit ihr zu kommunizieren. Es machte auch keinen Sinn mehr. Ich
bedauerte das durchaus. Zu oberflächlich war alles geblieben. Was war sie
eigentlich für ein Mensch? Welche Ansichten vertrat sie? Mittlerweile war mir
klar geworden, dass ihr Bild durch die Medien völlig verzerrt wurde. Und doch
hatte ich zu ihrer echten Identität keinen Zutritt begehrt. Stattdessen hatte
ich sie gedemütigt, bestraft. Ich war an Clara Bergmann gescheitert. So, wie
ich immer an den Menschen gescheitert war. Weil ich sie nicht akzeptierte. Weil
ich nicht verzeihen konnte. Und stets das Schlechte, das Diabolische, den
Abgrund in ihnen sah.
    Nur bei
Sarah war es anders gewesen. Und die war mir genommen worden. Von der Familie
Bergmann.

 
    5

 
    Ich saß
gerade in einer kleinen Pizzeria in der Mürrener Altstadt, als sie es zum ersten Mal brachten.
    Rosi war in
der Nacht zuvor gestorben, und das Wasser stand mir noch immer in den Augen.
Rosi war tot. Im Wald neben ihrer Gefährtin begraben. Ihr weiches, flauschiges
Fell, das ich niemals wieder streicheln würde. Die Wärme, die sie mir geschenkt
hatte. Diese grünen, wachen Augen, die für immer verloren waren. Und noch
jemand war gegangen. Wenngleich weitaus spektakulärer als mein kleiner, armer
Stubentiger.
    Die Stimme
des Nachrichtensprechers überschlug sich förmlich. Und die Gäste hatten wie ich
ihr Mahl unterbrochen.
    » Aus
bisher völlig ungeklärten Gründen hat die Industriellenwitwe Elisabeth Bergmann
sich vor etwa einer Stunde vom Dach eines Firmengebäudes der Bergmann-Gruppe gestürzt.
Die Polizei hat Fremdeinwirkung

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