Clara
wandte er sich
mir zu. Ich schwang das Rohr wie eine Keule und ließ es wuchtig auf seinen Kopf
niederschnellen. Ich konnte kaum etwas erkennen. Nur den Lichtkegel der Lampe,
der sein Gesicht verzerrte. Sein Körper krachte stöhnend gegen das Fahrzeug.
Einen Moment später lag er am Boden. Da war ich aber schon fast wieder
verschwunden.
Ich
schaltete meine Taschenlampe ein und rannte weiter. Clara schrie. Entsetzt lief
sie zu ihrem Freund. Vor den Stufen hielt ich kurz an. Drehte mich um und besah
mir die Szene. Sie kniete neben ihm. Leuchtete seinen Körper ab. Nahm ihn in
die Arme. Und schrie. Klagte. Fluchte. Nach einer Weile holte sie irgendetwas
aus dem Wagen. Legte es unter seinen Kopf. Beugte sich über ihn. Und schnappte
sich dann das am Boden liegende Gewehr. Ich rannte die Stufen, die in die
Klippen gehauenen Treppen, hinunter. Es war eine holprige Angelegenheit. Einige
Male kam ich ins Straucheln und musste mich an den Latten des Holzgeländers
abstützen.
Die Treppen
führten über siebzig Meter hinab zum Strand. Unten angelangt, sah ich hoch.
Bemerkte das tanzende Licht. Sie befand sich etwa auf halber Strecke. Taumelte
die Wand runter. Ich machte meine Lampe aus. Von nun an würde sie mir den Weg
weisen. Das Meer rauschte. Die Wellen brachen. Ergossen sich am glatten
Sandstrand. Der klare Sternenhimmel spendete einen Rest an Licht, das die
Dunkelheit, die grausame Finsternis durchbrach. Die Brecher schlugen gegen die
im Wasser wachenden »Apostel«. Vor meinen geschlossenen Augen wurde das
Spektakel zum realen Bild. Die weiße Gischt. Die von den Gewalten geschliffenen
Felsen mit ihren waagerecht gezeichneten Linien. Jede Schicht aus einer anderen
Epoche stammend. Auch ich würde einmal Teil dieser Schichten werden. Ein
kleines Korn im Universum. Unbedeutend. Und doch Teil des Ganzen. Ich fühlte
mich winziger denn je.
Clara
erreichte den Strand. Sie leuchtete die einzeln verstreuten Felsfragmente ab.
Ich stand gegen die Klippen gelehnt da. Warf einen kleinen Stein in ihre
Richtung. Sie wirbelte herum. Wir waren etwa fünfzig Meter voneinander
entfernt. Die Lampe am Gewehr schien auf meinen Körper. Ein Schuss krachte
neben mir an die Wand.
Ich lief in
Richtung Ozean. Sprang über das verstreute Geröll. Meinen Blick stets auf den
Lichtkegel gerichtet. Sie griff in die Tasche ihres Sweaters. Dann hantierte
sie an der Waffe herum. Offensichtlich lud sie nach. Ich erreichte eine kleine
Felsformation ganz nahe am Wasser. Wieder ein Schuss. Das Projektil schlug
Funken aus dem Gestein. Es war nicht leicht, auf ein bewegliches Ziel zu
feuern. Vor allem für einen Laien. Aber sie kam der Sache näher. Ich hatte die
Kugel bereits pfeifen gehört. Mit einem Hechtsprung warf ich mich hinter den
schützenden Fels. Atmete schwer und tief durch.
Das Licht
kam immer näher. Das Jagdfieber hatte sie gepackt, die Angst weggefegt. Sie kam
direkt auf mich zu. Versuchte nicht, mich zu umgehen. Ich hob einen schweren
Stein. Das Licht war nun ganz knapp über meinem Kopf. Ich sprang auf. Und warf.
Ich erwartete einen neuerlichen Schuss. Doch der fiel nicht. Zu sehr war sie
überrascht. Zu versteinert ob dieser unerwarteten Wendung. Das Geschoss knallte
gegen ihre Brust. Sie schrie laut auf. Ließ das Gewehr fallen. Ich eilte auf
sie zu. Nutzte den kurzen Moment der Fassungslosigkeit. Noch ehe sie sich
wieder besann, hielt ich die Waffe bereits fest und leuchtete in ihr
engelsgleiches Gesicht.
Ja, sie war
der Engel, der mich zu Sarah führen würde. Das Blut erschien wieder in meinen
Handflächen. Rann in Strömen daran herab. Doch ich ignorierte es. Dachte nicht
daran. Nicht an die letzte Schuld, die ich nun auf mich laden würde.
4
Clara kam
langsam wieder zu sich. Löste sich von dem Schock, der sie unvermittelt ereilt
hatte. Sie versuchte, das grelle Licht mit ihren Händen wegzuschieben .
Doch es blieb standhaft. Unbewegt. Michael hielt die Waffe auf sie gerichtet.
Nun war alles vorbei. Er hatte gewonnen. Seinen Triumph in der Tasche. Nun
konnte er sein Werk vollenden. Schweigend standen sie sich gegenüber. Dann
langte er unter seinen Pullover und holte ein paar Handschellen hervor. Sie
starrte ihn an. Doch es lag kein Schrecken mehr in ihren Augen. Keine Panik.
Keine Furcht. Nur noch die Erwartung des Unvermeidlichen. Michael machte eine
Schelle an seiner rechten Hand an. Dann trat er auf sie zu. Die Waffe auf sie
gerichtet, packte er ihren linken Arm. Im nächsten Augenblick waren
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