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Clara

Clara

Titel: Clara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koller
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sie
aneinandergekettet. Er ließ das Gewehr fallen und leuchtete sie nun mit seiner
eigenen Taschenlampe an. Sie hatte kaum mehr die Kraft, sich dem
entgegenzustellen. Zu sinnlos erschien ihr dieses Unterfangen. Denn Michael
Gruber blieb immer der Sieger. Egal, was sie auch tat. Egal, wie sehr sie sich
mühte. Er war ein Teufel, der alles vorhersah. Der mit allem fertigwurde . Dem alles egal war. Er begann zu sprechen. Es
durchzuckte sie beim Klang dieser Stimme.
    »Der Morgen
wird bald grauen, Clara .« Er leuchtete aufs Meer
hinaus. Auf die »Zwölf Apostel«, die sich irgendwo da draußen verbargen. »Es
wird ein guter Tag sein, um zu sterben .« Clara begann,
plötzlich an der Handschelle zu zerren. Dieser Satz hatte sie zurückgeholt. Ihr
den Tod vor Augen gehalten. Michael packte ihre freie Hand.
    »Hören Sie
auf damit. Es hat keinen Zweck. Ich bin kräftiger als Sie. Und entschlossener.
Wir sind aneinander gebunden. Und wir werden es gemeinsam zu Ende bringen .«
    Langsamen
Schrittes bewegte er sich zum Wasser. Clara wehrte sich nach Kräften. Doch es
war, wie er gesagt hatte. Daran änderten auch ihre Tritte, ihre Schreie, ihr
Wehklagen nichts. Er zerrte sie voran. Immer weiter ins Meer hinein. Clara war
verzweifelt. Sie würde hier ertrinken. Gemeinsam mit ihm. Dieser Gedanke war
der Schrecklichste von allen. Sie wollte ihn nicht in der Nähe haben, wenn
alles zu Ende ging. Und doch zwang er es ihr auf. Da kam ihr ein Gedanke,
während sie weiter gegen ihn ankämpfte.
    »Sie sind
doch Katholik .« Die Wellen schlugen mittlerweile gegen
ihre Hüften. Das Wasser fühlte sich extrem kalt an. »Selbstmord ist doch eine
Todsünde. Gott wird Sie dafür verdammen !« Michael
hielt kurz an. Packte sie am Hals. Immer wieder sauste ihre freie Hand gegen
seinen Körper. Doch er schien es gar nicht zu bemerken. Er war wie aus Stahl.
Unberührt, entseelt, hart.
    »Gott?« Er
drehte ihren Kiefer zum Wasser hin. »Sehen Sie hier irgendwo Gott ?« Seine Augen waren nicht zu erkennen. Doch Clara spürte,
dass sie schwarz waren. Finster. Endlos böse. »Gott hat uns alle verlassen.
Auch mich. Gott ist nur mehr eine Illusion in einer Welt, die sich selbst
auffrisst .« Um seiner Behauptung Ausdruck zu
verleihen, fletschte er die Zähne. Wie ein wildes, unbändiges Tier. Die nackte
Angst bemächtigte sich plötzlich ihres Körpers. Stärker, intensiver als je
zuvor. »Gehen Sie mit mir da raus. Und Sie werden den wahren Gott erkennen. Sie
sind das letzte Pfand, das er verlangt. Das den Schwur besiegelt .« Clara stand fassungslos da. Er war endgültig wahnsinnig
geworden. Fern aller Realitäten. Die Wellen begannen, sie umzureißen. Wollten
sie zurückwerfen. Doch die eiserne Faust, an der sie hing, gab keinen
Zentimeter preis.
    »Wer ist
dieser Gott, dem Sie mich opfern wollen ?« Michael zog
weiter. Leuchtete mit der Lampe aufs Meer. So, als suchte er hier jemanden.
    »Sarah !« , schrie er. »Sarah ist mein Gott. Und ich gab ihr mein
Gelübde. Meinen Eid.« Clara bekam Wasser in den Mund. Spuckte den salzigen
Geschmack aus. Das Meer schlug unerbittlich gegen ihren angespannten Leib.
    »Aber Sarah
ist nicht da !« Sie wusste, dass es keinen Sinn mehr
hatte. Der Wahnsinn in ihm war zu weit fortgeschritten. Der Wahnsinn, der in
seiner Einsamkeit geboren war. »Ich habe ihr nichts getan. Nichts mit ihrem Tod
zu tun. Sie hatten Ihre Rache. Lassen Sie es gut sein. Lassen Sie mich leben.
Für Sarah.« Die Gischt toste über ihre Gesichter. Sie war nicht sicher, ob er
sie überhaupt noch hörte. Oder ob sein Fanatismus alles gelöscht hatte. Er nahm
sie am Genick. Schleifte sie weiter. Dann spürte sie keinen Grund mehr unter
den Füßen. Es war vorbei. Er hielt seinen Kopf ganz nahe an den ihren.
    »Sie wird
kommen. Haben Sie Geduld. Es ist keine Rache. Es ist ein Geschenk. Sie sind ein
Geschenk .« Er spuckte immer wieder Wasser aus. Begann,
die Besinnung zu verlieren. »Sie werden Frieden finden. Genauso wie auch ich.«
Dann küsste er sie auf die Stirn. So, als wolle er sich bei ihr bedanken.
Dafür, dass sie seinem Weg so willig gefolgt war. Dafür, dass sie ihn zu seiner
Sarah führen würde. So, wie der tote König auch Hamlet geführt hatte. Hin zur
bitteren Wahrheit, zum Schmieden der Rachepläne. Und letztlich in den
Untergang. Denn die Dinge, die geschehen waren, konnten niemals rückgängig
gemacht werden. So sehr man sich auch bemühte. So sehr man es herbeisehnte. Die
Dinge blieben, wie sie waren. Und jedes

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