Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)
und kreuz und quer durchzogen von einer Vielzahl anderer Farben: von dunklem Elfenbeingelb, bräunlichem Rosa, Blaugrau und Schwarz …
»Parsefall, erzähl es mir!«
Er parierte ihre Frage mit einer Gegenfrage: »Was hat er zu dir gesagt?«
»Nichts. Er hat geschlafen. Er hat mich nicht gesehen.« Lizzie Rose erschauderte. »Ich war auf dem Eis und habe so nachgedacht … ach, über alles Mögliche. Ich weiß, es ist herzlos, sich Gedanken darüber zu machen, was nach dem Tod von jemandem passiert, aber ich habe mich gefragt, was Madama uns wohl in ihrem Testament hinterlässt. Ich habe davon geträumt, wir könnten in der Nähe des Sees leben. Und dann ist mir wieder in den Sinn gekommen, wie gut uns beiden das Torhaus mit dem Türmchen gefallen hat an dem Morgen, als wir hier ankamen. Also habe ich mir überlegt, ob Madama uns vielleicht das Torhaus vermacht, wenn ich sie darum bitte.«
Parsefall begann, zu verstehen. Er ging zum Kamin und setzte sich in einen der Sessel, die davor standen. Lizzie Rose entledigte sich ihres Mantels und kniete sich zu seinen Füßen vor das Feuer, Ruby blieb dicht bei ihr. »Ich wollte mir ansehen, wie es innen aussieht. Und weil ich dachte, dass das Haus unbewohnt ist, fand ich es nicht weiter schlimm, durch die Fenster zu lugen. Also habe ich Schuhe gewechselt und bin zum Torhaus hinuntergegangen. Die Fenster sind völlig von Efeu überwuchert, aber durch eins im Erdgeschoss konnte man hineinschauen … und da habe ich Grisini gesehen! Er saß in einem Lehnstuhl und hat geschlafen – reglos wie eine Wachsfigur. Ich sag dir, Parsefall, zunächst dachte ich, er sei tot! Fast habe ich es gehofft. Aber dann hat er gezuckt, nur ganz kurz, und da wusste ich, dass er lebt.« Sie schlang die Arme um Ruby. »Ich hatte entsetzliche Angst und habe mich unter den Fenstersims geduckt. Dann habe ich mich weggeschlichen und bin erst losgerannt, als ich auf der anderen Seite der Bäume war. Das war albern, denn schließlich hat Grisini ja geschlafen, aber ich habe mich so gefürchtet!«
»Ich weiß.«
»Ich bin gerannt, bis ich Seitenstechen hatte. Und die ganze Zeit dachte ich, dass er vielleicht direkt hinter mir ist. Mir ist klar geworden, dass Madama uns belogen haben muss. Wenn Grisini im Torhaus wohnt, muss sie das doch wissen, oder? Und als wir ihr bei unserer ersten Begegnung erzählt haben, dass Grisini verschwunden ist, schien sie das überhaupt nicht zu interessieren. Außerdem ist mir etwas wieder eingefallen, was ich gleich nach unserer Ankunft zufällig mitgehört habe. Eines der Hausmädchen sagte: ›Erst Ausländer und jetzt Gesindel.‹ Ich war so wütend, dass sie uns Gesindel genannt hat, dass ich gar nicht darüber nachgedacht habe, wer der Ausländer sein sollte. Sie muss Grisini gemeint haben.« Lizzie Rose holte tief Luft. »Wie lange weißt du schon, dass er hier ist?«
Parsefalls Mund war trocken. Er dachte an die Nacht zurück, in der Grisini auf ihm gekniet hatte. Er fand keine Worte. Ruby wand sich aus Lizzie Roses Umarmung und sprang zu Parsefall auf den Sessel, wo sie sich unaufgefordert und zu Parsefalls Unmut daranmachte, es sich auf seinem Schoss gemütlich zu machen.
Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Grisini is’ mitten in der Nacht aufgetaucht. In der Nacht vor Heiligabend war das. Er hat mich auf’n Boden gedrückt und mir mit einer Hand den Mund zugehalten … und dann hat er mir befohlen, Madama diesen Feueropal zu klauen. Er will ihn haben. Aber er traut sich nich’, ihn selbst zu stehlen.«
»Warum nicht?«, frage Lizzie Rose leise.
»Weil der Stein gefährlich is’«, erklärte Parsefall. »Er is’ magisch und mächtig … aber er is’ schlecht für den, wo ihn stiehlt. Ich weiß das von Clara. Sie … sie kommt im Schlaf zu mir.« Er bemerkte Lizzie Roses bestürzten Gesichtsausdruck. »Ich träum fast jede Nacht von Clara. Sie sagt, Madama is’ ’ne Hexe und der Stein is’ verflucht, so wie der Geist in der Flasche … und dass was Schlimmes passiert, wenn ich ihn nehm. Aber wenn ich’s nich’ tue, drangsaliert mich Grisini. Und ich weiß nich’, wie lang ich das noch aushalte.« Parsefall brach ab und presste die Zähne aufeinander. »Ich weiß, du glaubst mir nich’.«
Lizzie Rose war blass geworden. »Ich glaube dir«, sagte sie und rang nach Luft. »Mir erscheint Clara auch im Traum. Sie kommt und stellt sich an das Fußende meines Betts, und ich weiß, sie will mir etwas sagen, aber sie spricht
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