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Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Titel: Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Amy Schlitz
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den Beutel genauer angesehen und …« Sie streckte ihn Parsefall hin. »Siehst du die Enden der Bänder, mit denen er am Handgelenk getragen wurde? Sie sind nicht verschlissen oder ausgefranst. Sie sind ganz glatt. Ich denke, eine Dame muss ihn getragen haben und jemand hat die Bänder mit einer Schere durchgeschnitten. Und ich denke, dieser Jemand war Grisini. Ich glaube, er war ein Beutelschneider … und ein Taschendieb … Er muss die Sachen hier geklaut haben! All diese Sachen!«
    Sie hielt inne, damit Parsefall etwas dazu sagen konnte. Als er stumm blieb, wiederholte Lizzie Rose: »Eine goldene Uhr im Wert von zehn Pfund! Und Armbänder mit Edelsteinen besetzt!« Ihre Stimme wurde hart. »Es gab Abende, da mussten wir hungrig ins Bett, weil er behauptet hat, dass kein Geld da sei. Parse, du musst es mir sagen: Wusstest du, dass Grisini ein Dieb ist?«
    Parsefall zögerte. Clara wünschte, sie könnte sein Gesicht sehen. »Was machst du eigentlich? Was schnüffelst du in Grisinis Sachen rum?«
    »Ich muss«, erwiderte Lizzie Rose niedergeschlagen. »Mrs Pinchbeck hat mir aufgetragen, dass ich Grisinis Schlafzimmer sauber machen soll. Sie hat den jungen Mr Pinchbeck über die Weihnachtsfeiertage eingeladen und will ihm Grisinis Bett geben.«
    »Den ollen Fitzmorris?«, fragte Parsefall ungläubig nach. »Was will se denn mit dem?«
    »Er ist ihr Stiefsohn«, erwiderte Lizzie Rose. So düster, wie sie das sagte, begriff Clara, dass sie Fitzmorris Pinchbeck sogar noch mehr verabscheute, als Parsefall es tat.
    »Letztes Jahr hat der mir mein Ohr so verdreht, dass es fast abgerissen wär«, klagte Parsefall. »Nur weil ich ’n bisschen Nachtisch stibitzt hab.«
    »Das ist noch gar nichts!«, entgegnete Lizzie Rose hitzig. »Er hat mich unter dem Mistelzweig geküsst. Zwei Mal. Und er hat einen eklig nassen Mund.«
    Einen Moment lang schwiegen sie beide. Clara fand, dass Lizzie Rose mehr Grund hatte, bedauert zu werden. Doch Parsefalls Gedanken waren bereits von Fitzmorris Pinchbeck abgeschweift. »Was hast du mit den zehn Mäusen vor?«
    Lizzie Rose seufzte. Sie setzte sich ans Feuer und wickelte ihre Hände in den Rock, um sie zu wärmen. Ruby trottete herbei und ließ sich neben ihr auf den Boden plumpsen. »Du hast meine Frage nicht beantwortet«, stellte sie fest. »Hast du gewusst, dass Grisini ein Dieb ist? Und falls ja«, ihre Stimme wurde streng, »warum hast du es mir nicht erzählt?«
    »Weil er mich umgebracht hätt!«, brauste Parsefall verärgert auf. »Du hast doch gesehen, was er gemacht hat, wo du ihn angeschwärzt hast! Er hätt mich umgebracht, wenn ich’s dir erzählt hätte!«
    Lizzie Rose beugte sich zu Ruby hinunter. Sie kraulte die Ohren des Spaniels und küsste seinen Kopf. Dann ergriff sie wieder das Wort. »Parse …?«
    »Was?«
    »Hast du irgendwas von den Sachen gestohlen, die ich gefunden habe? Ich weiß, dass du die Fotografie bei den Wintermutes gestohlen hast …«
    Welche Fotografie?, rätselte Clara.
    »Kann sein, dass ich eins von den Armbändern geklaut hab«, antwortete Parsefall widerstrebend.
    »Parsefall!«
    »Das musst ich doch«, sagte er gereizt. »Du hast keine Ahnung, wie das war. Grisini hat mir befohlen, Sachen zu stehlen. Ich hab tun müssen, was er mir sagt, oder?«
    »Erzähl mir davon«, sagte Lizzie Rose und fügte hinzu: »Erzähl mir alles. Ich werde nicht mit dir schimpfen, aber du musst mir die Wahrheit sagen.«
    Parsefall drehte sich von ihr weg und hob die Nadel auf. Dann kniete er sich vor Clara und zog einen Faden durch ihre linke Schulter. »Als ich im Arbeitshaus war …«, fing er zögerlich an.
    Und während seine Hände sich um den Puppenkörper legten, tauchte ein Bild in Claras Kopf auf: der Blick in einen trostlosen Backsteinbau; in einen Raum mit zwei Reihen trogähnlicher Betten. Diesen Ort hatte sie nie mit eigenen Augen gesehen, aber sie bezweifelte nicht, dass es ihn wirklich gab. Das war das Arbeitshaus, in dem Parsefall als ganz kleiner Junge gelebt hatte. Einen Augenblick lang war es so, als befände sie sich selbst dort. Sie fröstelte vor Kälte, denn einer der größeren Jungen hatte ihr die Bettdecke weggenommen. Der Mann im Bett neben ihr war krank und hustete blutige Schleimbrocken aus … Clara wünschte, sie könnte den Kopf schütteln. Sie wollte die Erinnerungen vertreiben, die sich, während die Fäden durch ihre Gliedmaßen gezogen wurden, in ihren Kopf schlichen.
    »Ich glaub, ich war fünf oder sechs, wo Grisini

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