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Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Titel: Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Amy Schlitz
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Weihnachten.«
    »Es ist noch nicht Weihnachten«, sagte Dr. Wintermute kühl, »und der Geburtstag unseres Herrn gibt Ihnen nicht die Freiheit, sich einem wehrlosen Kind aufzudrängen.«
    Der junge Mann wurde rot. »Da war überhaupt nix dabei.« Er wandte sich an das Mädchen, als erwartete er, es würde ihn verteidigen. »Sie hat ja gar nichts dagegen. Oder, Lizzie Rose?«
    Das Dienstmädchen rappelte sich auf. »Ich habe durchaus etwas dagegen!«, entgegnete sie entrüstet. »Ich finde es abscheulich, wenn Sie mich küssen!«
    »Sie hören es selbst, Sir.« Dr. Wintermutes Stimme war eiskalt. »Ihr Benehmen ist widerwärtig.« Er hob den Hut auf und reichte ihn dem Mann. »Ich denke, Sie wollten gerade gehen. Bitte lassen Sie sich von mir nicht aufhalten.«
    Der junge Mann schaute verdutzt drein. »Ich weiß nich’, mit welchem Recht Sie mir befehlen wollen, das Haus zu verlassen«, sagte er. »Das is’ schließlich nich’ Ihr Haus, sondern das von meiner Stiefmutter, und ich verbringe Weihnachten bei ihr. Da is’ ja wohl nichts dabei.«
    »Das bleibt abzuwarten«, erwiderte Dr. Wintermute kühl. Er ging zur Tür und hielt sie auf. »Sir.«
    Der Mann starrte ihn blöde an. Dann gab er sich geschlagen und stolzierte mit geschwellter Brust, aber leicht unsicherem Schritt an Dr. Wintermute vorbei. Er schätzte die Höhe einer der Stufen falsch ein und stolperte die Treppe hinunter. Dr. Wintermute schloss die Haustür mit Nachdruck und drehte sich zu dem Mädchen um.
    »Danke, Sir.« Das Mädchen setzte einen löchrigen Stiefel hinter den anderen und sank in einen Knicks. Und es war nicht der gewöhnliche rasche Dienstbotenknicks, wie Dr. Wintermute feststellte, sondern eine anmutige, kunstvolle Bewegung, wie sie eine Tänzerin auf der Bühne ausführen würde. Und auf einmal wusste er, wer sie war: Sie hatte mit dem Puppenmeister gearbeitet, er hatte sie bei Claras Geburtstagsfeier gesehen. Sein Herz schlug schneller. Vielleicht wusste sie etwas über Grisini.
    »Wünschen Sie Mrs Pinchbeck zu sprechen, Sir?«
    Sie drückte sich gewählt aus. Dr. Wintermute musterte sie neugierig. Sie erinnerte ihn an jemanden, aber er kam nicht darauf, an wen. »Ich möchte lieber mit dir sprechen. Ich bin Dr. Wintermute. Vielleicht erinnerst du dich an mich von der Geburtstagsfeier meiner Tochter her.«
    »Oh!« Das Mädchen fuhr sich mit den Händen an den Mund. »Sie sind Claras Vater!«
    Dr. Wintermute zuckte zusammen. »Ja, ich bin Claras Vater.« Er holte tief Luft, um die Fassung zurückzugewinnen. »Du hast für Professor Grisini gearbeitet, richtig?«
    »Ja, Sir. Es tut mir so leid … das mit Clara.«
    »Sei so gut und schenke mir ein bisschen deiner Zeit. Ich würde dir gern ein paar Fragen stellen.«
    »Selbstverständlich, Sir. Bitte kommen Sie mit nach oben. Lassen Sie mich nur kurz … die Hunde …« Während sie sprach, zog sie einen Schlüssel aus der Tasche und sperrte die Tür links vom Treppenaufgang auf. Hastig zerrte sie die Bulldogge, den Mops, den Beagle und den Terrier herbei, löste ihre Leinen und bugsierte sie durch die Tür. Dann sperrte sie wieder ab und nahm den roten Spaniel auf den Arm. »Danke. Wenn Sie mir jetzt folgen wollen, Sir …« Sie hielt inne und ihr Blick wanderte zu den Mistelzweigen an der Decke. Dr. Wintermute erriet ihre Gedanken.
    »Möchtest du, dass ich sie abnehme?«
    »Oh ja, bitte!«
    Der Raum war niedrig und es bereitete Dr. Wintermute keine Schwierigkeiten, das rote Band zu fassen zu bekommen und die Zweige zu entfernen. Das Mädchen nickte zum Dank und ging ihm voraus die Treppe hinauf. Der Aufgang war steil, dunkel und eng. Dr. Wintermute fiel auf, dass einige Stufen mit Latten von einer Packkiste ausgebessert worden waren. Er warf einen Blick auf das Seil, das als Handlauf an der Wand befestigt war, bemerkte den herausbröckelnden Putz rings um die Schraublöcher und verzog das Gesicht.
    Oben angekommen, setzte das Mädchen den Hund auf den Boden. Sie ging den schmalen Flur entlang und sperrte eine Tür auf. »Treten Sie ein, Sir.«
    Dr. Wintermute folgte ihr. Er wusste sehr wohl, dass es Armut in der Welt gab, aber noch nie hatte er etwas gesehen, das Grisinis grell-kitschiger schmutziger Behausung glich. In einer Ecke stand eine Art Spielzeughaus aus Gerümpel mit einem Paillettenvorhang als Tür. Von Wand zu Wand waren Wäscheleinen quer durch den Raum gespannt, an denen eine Sammlung von Marionetten hing: Einigen fehlten Arme und Beine, manche waren

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