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Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Titel: Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Amy Schlitz
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unbekleidet und alle hatten übergroße Köpfe und einen starren Blick.
    »Hier entlang, Sir.« Das Mädchen bahnte sich einen Weg durch den Plunder zum Kamin. Es zog einen fleckigen Lehnstuhl nahe ans Feuer. Dann kniete es sich hin, legte ein paar Brocken Kohle nach und streckte die Hand nach den Mistelzweigen aus, die sie in die Flammen warf. »Bitte setzen Sie sich doch.«
    »Hier ist nur ein Stuhl«, warf Dr. Wintermute ein.
    »Ich sitze gern am Feuer.« Das Mädchen klopfte auf ihren Oberschenkel und der rote Spaniel sprang mit einem Satz auf ihren Schoß. Und plötzlich wusste er, woran das Mädchen ihn die ganze Zeit erinnerte: Das war Aschenputtel mit seinem rußigen Kleid und dem schwermütigen Blick! Bei dieser Laune seiner Fantasie zuckte ein kurzes Lächeln um seine Mundwinkel.
    »Ich fürchte, ich kenne nicht einmal deinen Namen.«
    »Lizzie Rose … ich meine, Elizabeth Rose Fawr, Sir.«
    »Professor Grisini ist nicht dein Vater?«
    »Nein, Sir. Mein Vater war David Fawr.« Stolz schwang in ihrer Stimme. Offensichtlich musste David Fawr jemand von Bedeutung in ihrer Welt gewesen sein. »Grisini hat mich vor eineinhalb Jahren zu sich genommen.«
    »Weißt du, wo er jetzt ist?«
    Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Er ist verschwunden, Sir. Ich denke … ich glaube, er ist tot.«
    »Tatsächlich?« Dr. Wintermute stieß das so heftig hervor, dass sie zusammenfuhr und ihren Spaniel fester an die Brust drückte. »Ich muss es wissen. Man hat mir gesagt, er sei nicht in London. Die Polizei will mit Mr Grisini sprechen. Hast du irgendeine Ahnung, wo er sein könnte?«
    Er suchte im Gesicht des Mädchens aufmerksam nach einem Ausdruck von Angst oder Tücke oder nach Anzeichen davon, dass sie mehr wusste, als sie zugab. Aber sie erwiderte offen seinen Blick. »Er ist die Treppe hinuntergefallen«, berichtete sie, »und danach ist er verschwunden. Das ist alles, was wir wissen, Sir.«
    »Die Treppe hier im Haus?«
    »Ja, Sir. Er war wütend und die Stufen sind unter ihm eingebrochen. Dabei hat er sich den Kopf aufgeschlagen.« Lizzie Rose biss sich auf die Lippe. »Er … da war jede Menge Blut, und Mrs Pinchbeck – das ist unsere Vermieterin – ist los, um den Wundarzt zu holen, aber Grisini muss zu Bewusstsein gekommen sein, nachdem sie weg war. Er ist ganz allein aus dem Haus marschiert und nie mehr zurückgekommen.«
    »Also war er am Leben. Er muss am Leben gewesen sein, als er weggegangen ist.«
    »Ja«, stimmte das Mädchen widerstrebend zu. »Aber er ist nie zurückgekommen. Alles, was er besitzt, ist hier … seine Kleider und das Theater und die Puppen …«
    Bei dem Wort Puppen beugte sich Dr. Wintermute vor. »Die Puppen. Er stellt sie her, richtig?«
    Zum ersten Mal horchte das Mädchen wachsam auf. »Einige, ja, Sir.«
    »Hat er die Puppe gemacht, die wie meine Tochter aussieht?«
    Ihr entfuhr ein kleines Japsen. »Oh, Sir! Sie haben die Puppe gesehen?«
    »Ja, heute, am Ebury Square.«
    »Oh nein, wie grausam!« Das Mädchen schubste den Hund von ihrem Schoß und stand auf. »Darf ich Ihnen ein Glas Branntwein bringen, Sir? Ich glaube, Mrs Pinchbeck …«
    Dr. Wintermute bekam ihre Hand zu fassen und hielt Lizzie Rose zurück. »Was weißt du über die Puppe? Wann hat Grisini sie gemacht? Und warum? Er kannte meine Tochter kaum. Warum hat er eine Puppe angefertigt, die aussieht wie Clara?«
    Das Mädchen entzog ihm ihre Hand. »Ich weiß nicht«, sagte sie unglücklich. »Über solche Dinge hat er nicht mit uns gesprochen.« Dann fügte sie wenig überzeugend hinzu: » So ähnlich sieht die Puppe Clara gar nicht …«
    »Sie ist ihr genaues Ebenbild!«, widersprach Dr. Wintermute. »Herrgott noch mal, wenn du irgendetwas weißt, musst du es mir sagen! Wann ist Professor Grisini verschwunden? An welchem Tag?«
    Das Mädchen zögerte. Ihre Hände zuckten. Sie zählte an den Fingern die Tage zurück. »Das war acht Tage nach der Geburtstagsfeier. Am 14.«
    Dr. Wintermute schloss die Augen. Sein Herz schien stillzustehen. Gleichzeitig war er völlig gefasst. Das Schlimmste war bereits geschehen und es gab nichts, was ihn noch treffen könnte. Er hörte sich mit ruhiger Stimme sagen: »Ich war in der Nacht in Kensal Green.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »In Kensal Green liegt der Friedhof, auf dem meine Kinder beigesetzt sind«, erklärte Dr. Wintermute. Er war von sich selbst überrascht, dass er ihr das anvertraute. Bislang hatte er niemandem außer Ada erzählt, was in jener Nacht passiert

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