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Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Titel: Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Amy Schlitz
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Kaschmir und Samt. Etwas Schwarz-Weißes blitzte dazwischen hervor und erregte ihre Aufmerksamkeit. Es war eine Bordüre aus Hermelinpelz, die zu einem jadegrünen Mantel gehörte. Lizzie Rose hatte Hermelin schon an Bühnenkostümen gesehen, allerdings hatte es sich dabei lediglich um weißes Kaninchenfell mit schwarzen Schuhcreme-Tupfern gehandelt. Hier aber hatte sie echten Hermelin vor sich: winzige Felle, so weich wie zarte Gaze und weißer als Perlen. Die kostbare Pelzeinfassung zierte die Ärmelkanten und auch die Schulterpasse.
    Ruby trat unruhig von einem Bein aufs andere und jammerte ungeduldig.
    Mit zitternden Fingern nahm Lizzie Rose den Mantel vom Haken und schlüpfte in die Ärmel. Der weite Mantel war warm und herrlich schwer. Er reichte ihr bis zu den Stiefelstulpen und verbarg ihr Nachthemd. Lizzie Rose warf einen Blick über die Schulter. Im Spiegel an der gegenüberliegenden Wand zeigte sich eine Fremde: eine Prinzessin mit offenem rotem Haar und erschrockenen Augen.
    Die Verwandlung war so verblüffend, dass Lizzie Rose sich gern noch etwas länger betrachtet hätte, aber sie wagte es nicht. Sie nahm Rubys Leine, hakte sie am Halsband des Hundes ein und öffnete die Tür.
    Der aufgeregte Hund stürzte hinaus, und sie steuerten das enge Treppenhaus an einem Ende des Korridors an. Lizzie Rose hoffte, dass es sich um die Stiege für die Dienstboten handelte; mit etwas Glück würde die sie in den Gesinderaum und zum Hintereingang führen. Sie folgte dem Hund zwei lange Treppenläufe hinunter und landete in einem Gewölbekeller, wo es nach Küche roch: nach Kohlenfeuer, Zwiebeln, Essig und Gewürznelken. Ihre Hand lag schon auf dem Knauf zur Küchentür, als eine Frauenstimme dahinter sie innehalten ließ. Sie wollte nicht, dass die Hausangestellten sie in dem Mantel sahen, den sie sich aus dem Schrank im Weißen Zimmer geborgt hatte.
    »Nach all den Jahren, die wir ihr zu Diensten sind, sollte man doch meinen, dass sie auch etwas für uns tut. Aber nein, die nicht! Sie holt sich lieber ein paar dreckige kleine Bettelkinder ins Haus und vermacht denen ihr Geld.«
    Lizzie Roses Herz machte einen Sprung. Also wollte Cassandra Sagredo ihnen tatsächlich ihr Vermögen hinterlassen! Sie wickelte Rubys Leine fest um die Hand und kämpfte mit widerstreitenden Gefühlen: Erleichterung, dass wirklich eine Erbschaft bevorstand, Zorn, dass sie als dreckiges kleines Bettelkind bezeichnet wurde, und Scham, dass sie mit Mrs Sagredos Geld womöglich etwas begehrte, was in Wahrheit jemand anderem zustand. Schlagartig verstand sie, warum die Dienstmädchen so mürrisch ihr Bad vorbereitet hatten.
    »Und wir dürfen die jetzt bedienen«, fuhr die harte Stimme fort, »und müssen viermal am Tag Tabletts nach oben tragen, von den Kohlen ganz zu schweigen! Also, Essie und ich sind fix und fertig, wir haben das ganze Badewasser hochgeschleppt! Ich hätte nicht übel Lust, mir eine andere Stelle zu suchen.«
    »Du wirst nichts dergleichen tun«, mischte sich Mrs Fettle ein. »Hat es je einer von uns geschafft, wegzugehen? Falls Madama möchte, dass du gehst, entlässt sie dich. Ansonsten bleibst du, wo du bist, und tust, was man dir befiehlt.«
    Eine dritte Stimme meldete sich klagend zu Wort: »Aber es ist trotzdem hart, Mrs Fettle, wenn anständige Leute Kinder wie die bedienen müssen. Es ist ja nicht so, dass Madama mit denen verwandt ist. Wozu braucht sie die, was glauben Sie?«
    »Es steht mir nicht an, zu beurteilen, warum Madama tut, was sie tut«, erwiderte Mrs Fettle. »Und dir nicht, solche Fragen zu stellen.«
    »Jedenfalls ist es simpel, für die Kinder zu kochen«, stellte eine vierte Stimme fest. »Die verlangen keine Polenta und fremdländischen Gerichte. Sie haben ihre Tabletts bis auf den letzten Krümel leer gegessen! Selbst die Knochen abgenagt und die Zuckerschale ausgeleckt. Es war zum Brüllen: Nicht ein Fitzelchen ist übrig geblieben. Mir tun se leid – arme kleine Frösche.«
    »Geht mir auch so!«, stimmte eine Männerstimme zu. Sie gehörte Mark Fettle. »Sie werden froh sein über ein paar ordentliche Mahlzeiten. Und das Mädchen hat ein hübsches Gesicht, finde ich.«
    »Ganz gleich, trotzdem ist sie auch nur Gesindel. Ich würde wetten, die ist kein Engel«, erklärte die erste Stimme wieder. »Erst Ausländer, jetzt Gesindel! Es sollte mich nicht wundern, wenn sie völlig verlaust sind, die beiden …«
    Lizzie Rose reckte das Kinn hoch. Es kümmerte sie nicht mehr, dass sie einen Mantel

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