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Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Titel: Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Amy Schlitz
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müsse er in den Stallungen eingesperrt werden.
    Lizzie Rose versicherte Mrs Fettle, dass Ruby sich ganz wohlerzogen benehmen werde, und huschte zurück in ihr Zimmer. Es beunruhigte sie, dass Mrs Sagredo so krank war. Lizzie Rose hatte gehofft, die alte Dame würde sie willkommen heißen und ihnen das Gefühl geben, zu Hause zu sein. Sie fing an, für Mrs Sagredos Genesung zu beten: »Bitte, lieber Gott, lass sie nicht sterben, bis –« Lizzie Rose brach mitten im Satz ab. Bis was? Entsetzt wurde ihr bewusst, dass sie nicht am meisten fürchtete, dass Mrs Sagredo vielleicht sterben würde, sondern dass sie sterben könnte, bevor sie entschieden hatte, ihr Vermögen den Kindern zu hinterlassen. Hastig formulierte Lizzie Rose ihr Gebet um: »Lieber Gott, bitte lass Mrs Sagredo wieder gesund werden und noch lange leben.« Doch ihre Schuldgefühle waren nicht so leicht zu vertreiben. Und ebenso wenig ihr Verlangen nach Mrs Sagredos Erbe. Auf Strachan’s Ghyll hatten sie und Parsefall ein Dach über dem Kopf, sie wurden verpflegt und waren in Sicherheit. Hier gab es keine Polizei, keine Luce und keinen grässlichen Fitzmorris. Es war eine ungeheure Gnade, jeden Morgen in einem sauberen Bett zu erwachen, mit einem Feuer im Kamin und Frühstück auf einem Tablett. Zu wissen, dass jemand anderes die Kohlen schleppen, die Nachttöpfe ausleeren musste, war eine himmlische Erleichterung.
    Trotz all dieser Annehmlichkeiten verbrachte Lizzie Rose die folgenden Tage in unruhiger Sorge. Ihr Gewissen machte ihr zu schaffen und es quälte sie, dass sie mit den Hausangestellten nicht Freundschaft schließen konnte. Sie verbrachte einen Großteil ihrer Zeit in Parsefalls Zimmer, wo sie gemeinsam mit den Puppen probten.
    Das Grüne Zimmer, das Mrs Fettle Parsefall zugeteilt hatte, war ein herrschaftlicher Raum und prachtvoll mit Wandteppichen, gotischen Durchbruchschnitzereien und Serpentinmarmor ausgestaltet. Parsefall benötigte keine vierundzwanzig Stunden, um ihn zu verwüsten. Das Himmelbett mit den flaschengrünen Samtvorhängen erschien ihm als eine perfekte Bühne. Also schleppte er die Bettsachen vor den Kamin und stapelte sie auf dem Bärenfell. Er packte den Inhalt der Weidentruhe aus und der Boden war bald übersät von Puppen, Kulissenbildern, Krimskrams und Werkzeug. Lizzie Rose fürchtete, das Durcheinander würde den Dienstboten zusätzliche Arbeit bereiten, doch Parsefall kümmerte das nicht im Geringsten. Ein Fürst hätte nicht weniger gleichgültig gegenüber den Sorgen der Dienstboten sein können.
    An ihrem vierten Abend auf Strachan’s Ghyll waren die Kinder gerade mit den Puppen beschäftigt, als die Tür zum Grünen Zimmer geöffnet wurde und Mrs Fettle verkündete: »Madama wünscht euch zu sehen. Ihr sollt umgehend zu ihr kommen.«
    Lizzie Rose spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog. Jetzt stand also die Unterredung bevor, auf die sie gewartet hatte. Sie erhob sich hastig und wünschte, sie hätte ihre eigene Kleidung an. Parsefalls Sachen waren vor zwei Tagen gewaschen, geflickt und gebügelt zurückgebracht worden. Lizzie Roses Kleider hingegen nicht. Sie war gezwungen, den hermelinbesetzten Mantel als eine Art Tageskleid zu tragen.
    Mrs Fettle wandte sich um und ging davon aus, dass ihr die Kinder folgen würden. Lizzie Rose fasste Parsefall am Ärmel. »Überlass mir das Reden«, flüsterte sie. Mit einem hölzernen Nicken willigte er ein, und sie gingen hinter Mrs Fettle den Korridor entlang. Die Haushälterin öffnete die Flügel einer Doppeltür und trat beiseite, um sie vorbeizulassen.
    Lizzie Rose blieb im Türrahmen stehen. Der Raum erstrahlte im Schein zahlreicher Kerzen und die Wände waren mit karmesinrotem Damast ausgekleidet. Die Bettvorhänge schillerten schwefelgelb und blutrot. Durch den Geruch von Kohlenfeuer und Wachskerzen nahm Lizzie Rose noch etwas anderes wahr: einen seltsamen, nicht menschlichen Geruch, wie von heißem Metall.
    »Die Kinder aus London, gnädige Frau. Miss Fawr und Master Hooke.«
    »Schließt die Tür hinter euch«, befahl eine Stimme, die aus dem Bett kam.
    Lizzie Rose gehorchte, aber nicht schnell genug. Ein kleiner roter Fellball schoss durch den Spalt zwischen den Türflügeln und tollte ausgelassen über den Teppich. Vor dem hohen Bett machte Ruby halt, bellte ungestüm und sprang mit einem Satz hinauf. »Oh, gnädige Frau! Verzeihung!«, rief Lizzie Rose aus und eilte zum Bett.
    Zu ihrer Verblüffung begann Mrs Sagredo zu lachen. Es war ein misstönendes

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