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Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Titel: Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Amy Schlitz
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tiefer in den Schlaf gesunken, sie konnte ihn nicht mehr erreichen.
    Die Tür zum Grünen Zimmer öffnete sich.
    Wer ist das?, rätselte Clara, aber sie konnte den Kopf nicht drehen, um nachzusehen. Leise Schritte waren zu hören. Sie zögerten kurz neben dem leeren Bett. Dann tauchte eine schattenhafte Gestalt in Claras Blickfeld auf: ein großer, magerer Mann in einem zerlumpten Gehrock. Grisini!, dachte Clara und ihr wurde kalt. Sie wollte einen gellenden Schrei ausstoßen: Vorsicht, Parsefall! Wach auf!
    Aber ihre Panik blieb stumm. Grisini ließ sich auf alle viere fallen und kauerte über dem Jungen wie ein Werwolf. Das flackernde Kaminfeuer warf seinen Schatten an die Decke. Und plötzlich schnellte Grisinis Hand mit einer brutalen, ruckartigen Bewegung vor und verschloss Parsefalls Mund. Er kniete sich auf die Oberschenkel des Jungen, um ihn zu Boden zu drücken.
    Parsefall riss die Augen auf. Das Weiße leuchtete in dem dämmrigen Licht. Er schlug wild mit den Armen um sich, aber seine Schläge waren zu schwach. Sein verzweifelter Widerstand dauerte nicht lange. Nach wenigen Sekunden gab er auf.
    »Stai zitto!«, zischte Grisini. »Kein Wort oder ich reiß dir die Gurgel raus! Du bist überrascht, sì? Du hast gedacht – nein, gehofft  –, ich sei tot.« Er verlagerte sein Gewicht und saß jetzt auf den Beinen des Jungen »Glaube mir, ich bin sehr lebendig. Und ich habe nichts vergessen.«
    Parsefalls Miene war undurchdringlich, aber Clara glaubte, seine Gedanken zu erspüren. Sie waren wie die Scherben eines Spiegels, der zerbrach, schartige Splitter, die in alle Richtungen flogen. Er wusste, dass ihm wehgetan würde, nur nicht wie oder wie sehr. Er richtete den Blick fest auf Grisinis Gesicht in der panischen Hoffnung, zu erahnen, was als Nächstes passieren würde.
    »Ich weiß noch, wie du mich getreten hast. Disgraziato! Ingrato! Aber du gehorchst mir und wir sind wieder Freunde. Senti. «
    Grisini nahm die Hand von Parsefalls Mund. Schrei!, dachte Clara, doch Parsefall war zu klug, um zu schreien. Es war spät. Die Dienerschaft lag im Bett und Lizzie Roses Zimmer befand sich am anderen Ende des Korridors.
    »Du hast Madama kennengelernt, ja?«
    Parsefall senkte das Kinn auf die Brust, er nickte. Grisini griff nach dem Schürhaken. Einen entsetzlichen Augenblick lang fürchtete Clara, er würde Parsefall damit schlagen, aber er lehnte sich nur vor und stocherte im Feuer. Das Zimmer wurde heller und Clara konnte ihren Entführer genauer betrachten. Er war unrasiert und über sein Gesicht zogen sich zahlreiche frische Narben. Schneeklumpen hingen an seinen Stiefeln. Er ist von draußen gekommen, stellte Clara fest und sie fragte sich, ob Cassandra wohl wusste, dass er hier war.
    »Hast du bei dem Treffen das Medaillon an ihrem Hals gesehen?«
    Parsefall senkte abermals ruckartig das Kinn.
    »Hat sie dir den Stein darin gezeigt?« Ein weiterer Ruck. »Welche Farbe hat er?«
    »Rot.«
    »Und wie groß ist er?«
    Parsefall hob die Hände und formte mit den Fingern ein Oval ungefähr von der Größe des Feueropals.
    » Va bene. Wir sprechen von demselben Stein. Jetzt hör mir zu. Ich will den Stein haben. Verstehst du mich?«
    »Ja.«
    »Du musst ihn stehlen.«
    Nein!, dachte Clara. Sie sah, wie Parsefall schluckte und das Gesicht verzog, doch er sagte nichts. Sein Schweigen schien Grisini zu verärgern. Er packte Parsefalls Ohr und grub seine Fingernägel so fest in das weiche Ohrläppchen, dass das Blut hervorquoll. Parsefall atmete scharf ein.
    »Hör mir gut zu! Ich war dein Meister! Non ti scordar  – und vergiss nicht, ich bin weiterhin dein Meister! Was ich dir befehle, wirst du tun. Hast du das verstanden, mein kleiner Taschendieb? Oder muss ich deine Erinnerung auffrischen?«
    »Nein«, stieß Parsefall hervor. »Ich stehl, was Sie wollen … nur …« Für den Bruchteil einer Sekunde schloss er die Augen, dann fuhr er fort: »Wenn ich Ihnen den Stein gebe … verschwinden Sie dann? Verschwinden Sie und lassen mich und Lizzie Rose in Ruh?«
    Es folgte ein Moment absoluter Stille. Grisini veränderte seine Position und Parsefall zuckte zusammen.
    »Du willst, dass ich euch verlasse? Ich, der dich aus dem Arbeitshaus geholt hat, der mehr als ein Vater für dich war? Ich habe dir mein Handwerk beigebracht, habe dir gezeigt, wie man die piccoli zum Leben erweckt, wie man aus Taschen stielt und Schlösser knackt … Ingrato! « Er riss die Hände ungläubig nach oben. Am Daumen und Zeigefinger

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