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Clara

Clara

Titel: Clara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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fesselndes Gesicht.
    Astrid steckte das Foto ein und machte sich dann an den Kleiderschrank. Dort war alles ordentlich gestapelt und duftete frühlingsfrisch: mehrere Jeans in Blau und Schwarz, ein Stapel T-Shirts, ein Stapel Sweat-Shirts, keine Unterhemden, die Unterhosen aus weißem Feinripp, wenig aufregend. Ganz unten ein Ausreißer, hellrosa Boxershorts mit kopulierenden Schweinchen; bestimmt ein Geschenk von irgendeinem Witzbold. Außerdem waren da noch zwei dunkelblaue Badehosen und ein Frotteemantel in Größe 176, der durfte wohl kaum noch gepaßt haben.
    Ein guter katholischer Junge, dachte Astrid, und ihr war ein bißchen flau dabei.
    Jetzt blieb nur noch das schmale Regal neben dem Kleiderschrank. In hellblauen Pappschachteln lagen Kinderfotos, Sieger- und Ehrenurkunden von Bundesjugendspielen, das Blättchen von der Kommunion, ein paar schon vergilbende Briefe von einer Tanja aus Gelsenkirchen, ein Angelschein, Segelscheine, ein paar Reiseprospekte, die auch schon älter waren, lauter Dinge, die man nicht wegwerfen wollte, die aber für das augenblickliche Leben nicht wichtig waren.
    Im untersten Fach ein paar Schnellhefter aus Pappe mit Zeitungsausschnitten zu allen möglichen Themen, völlig unsortiert, anscheinend immer obenauf abgeheftet: Bootsbau, Bootsmessen, der wiederaufgenommene Fährbetrieb in Grieth, Testberichte von Motorrädern, Artikel über Drogentote und Sekten, viel über Sekten und religiöse Verführer. Astrid stutzte. Wie ging das denn zusammen? Nun ja – sie kam aus der Hocke hoch und schaute sich noch einmal um. Nein, sie hatte wohl nichts übersehen.
    Van Gemmern fummelte am Nachttisch herum. Er hatte bisher noch kein Wort gesagt, sein einziges Interesse galt den Fingerabdrücken, die er nehmen sollte. Sie beobachtete ihn, wie er konzentriert, bleich und unbewegt seine Arbeit tat. Nie schien ihn irgendwas zu berühren. Ein paar Monate lang hatte sie mit ihm geschlafen, damals, als sie gerade zum K 1 gekommen war, hatte an die Stille-Wasser-Geschichte geglaubt. Es war nicht mehr daraus geworden als ein lockeres, fragwürdiges Verhältnis, aus dem sie von einem Moment auf den anderen ausgestiegen war. Selbstverständlich hatte er auch da keine Regung gezeigt.
    In diesem Moment drehte er sich um und bannte ihren Blick mit seinen harten blauen Augen. »Ich habe jetzt alles, was ich brauche.«
    »Ja, gut«, meinte sie und zog das Foto von dem jungen Mädchen aus der Tasche. Sie mußte noch einmal mit der Mutter sprechen, fragen, ob sie das Mädchen kannte und … Ja, was noch?
    Van Gemmern ließ das Schloß an seiner Tasche zuschnappen, ging zur Tür und wartete schweigend.
    »Geh schon mal vor zum Auto, Klaus. Ich muß der Mutter noch ein paar Fragen stellen, aber ich beeile mich.«

8
    Wenn Walter Heinrichs nicht mindestens zweimal am Tag pünktlich seine warme Mahlzeit kriegte, konnte er ziemlich nörgelig werden. Das hatte Astrid oft genug erleben müssen und sich deshalb zu einem Mittagessen in der Kantine überreden lassen.
    »Die Pressefritzen wollen um zwei noch mal vorbeikommen. Hoffentlich ist van Gemmern bis dahin mit den Abdrücken fertig.«
    Heinrichs leckte genüßlich die Finger ab und nahm sich die nächste Hähnchenkeule. Astrid staunte mal wieder über die Portionen, die dieser Mensch verdrücken konnte. Kroß gegrillter Hähnchenschenkel mit Pommes frites und feinen Erbsen stand heute als Tagesmenu auf dem Plan. Schon vor Jahren hatte Heinrichs mit den Frauen an der Essensausgabe Sonderkonditionen ausgehandelt, und so bestand seine Portion heute aus drei Hähnchenschenkeln, einem Berg Pommes und einem Löffelchen Erbsen.
    Astrid schob den Teller weg – von wegen ›kroß gegrillt‹ das Heisch war nicht mal richtig durchgebraten. Sie holte das Foto aus ihrer Handtasche, ein Abzug von dem großen Bild, das über Ralf Poortens Bett hing, und schob es Heinrichs über den Tisch. »Das ist der Junge.«
    Heinrichs nahm das Foto mit spitzen Fingern an einer Ecke hoch und schluckte. »Der sieht aber nicht aus wie neunzehn.«
    »Das Bild ist auch schon älter. Ein neueres hat die Mutter nicht gefunden.« Sie knüllte die Papierserviette zusammen und warf sie auf den Teller. »Soll ich schon mal hochgehen und im Labor ein paar Abzüge für die Presse machen lassen? Am besten wäre wohl eine Ausschnittvergrößerung vom Gesicht des Jungen.«
    »Hm«, überlegte Heinrichs. »Ist vielleicht gar nicht so schlecht, wenn das Motorrad mit auf dem Foto ist.«
    »Hast du die Suche

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